Witten. . Mehrere Referenten plädierten beim Medizinforum unserer Zeitung für einen Spenderausweis. Egal, wo das Kreuz gemacht wird: Wichtig sei, dass überhaupt eine selbstbestimmte Entscheidung getroffen werde, Seelsorgerin betont die Freiwilligkeit.

Wer sagt denn, dass man beim Thema Organspende nicht lachen darf? „Auf dem Spenderausweis der Patientin stand unten bei Bemerkungen: ,Von meiner Leber lieber die Finger lassen’.“ Das Anekdötchen stammt von Chefarzt Dr. Thomas Meister, einem der Referenten beim Medizinforum unserer Zeitung im Evangelischen Krankenhaus (EvK) zur Organspende. In gut zwei Stunden erfuhren die Teilnehmer viel Wissenswertes, Eindrückliches, Heiteres, aber durchaus auch Kontroverses zu diesem wichtigen Thema.

Auf persönliche, berührende Weise erzählte zunächst Hendrik Thoms von seiner jahrelangen Leidensgeschichte: Kurz vorm 18. Geburtstag hatten plötzlich seine Nieren komplett versagt. Eine verschleppte Mandelentzündung könnte die Ursache gewesen sein, letztlich wurde es nie geklärt. Jahrelang musste der junge Mann zur Dialyse, schließlich sogar jeweils endlose acht Stunden lang. Eine Tortur – die ihm aber rund 700-mal das Leben rettete. Bis endlich ein Spenderorgan gefunden wurde.

Motorradfahren als Ventil

Sehr offen berichtete der junge Mann, der nun wieder „mehr als 100 Prozent fit“ ist, von seinen Ängsten, dem Frust bei der verzweifelten Suche nach einer Lehrstelle und einem verständnisvollen Chef, seiner Dankbarkeit für den unbekannten Spender. Aber auch darüber, dass er nun Motorrad fährt: „Das ist mein Ventil – aber keine Angst: Ich passe schon gut auf meine Niere auf.“

Das fragte unser Publikum

Warum darf ich als Diabetiker nicht Blut spenden, komme aber für Organspenden in Frage?

Als Diabetiker kommt man wegen der Blutwerte nicht in Frage. Bei einer Organspende kann aber alles außer der Bauchspeicheldrüse genutzt werden.

Wenn ich in meiner Patientenverfügung ausgeschlossen habe, dass ich an Geräte angeschlossen werde, komme ich dann für eine Organspende überhaupt nicht in Frage?

Doch. Es gibt die Möglichkeit, seinen Willen auf der Verfügung entsprechend zu formulieren und zu ergänzen. Etwa so: Für den Fall, dass bei einer Operation der Hirntod eintritt, soll die Patientenverfügung für eine Organspende in den Hintergrund treten.

Bis zu welchem Alter komme ich als Organspender in Frage? Die Organe sind doch irgendwann nicht mehr so „in Schuss“.

Es gibt keine Altersbegrenzung für Organspender mehr. Hintergrund ist, dass immer mehr Ältere auch auf der Warteliste für Organe stehen. Es gibt sogar ein entsprechendes Programm namens „Old to old“. Überhaupt sei es für die Kranken meist besser, ein älteres Organ zu bekommen als keines.

Ich habe Prostatakrebs gehabt. Komme ich damit als Spender noch in Frage?

Es gelten zunächst die gleichen Fristen wie bei einer Erkrankung. Wer fünf Jahre keinen neuen Tumor hat, gilt als geheilt. Zudem werden Blut und Organ auf jede mögliche Schädigung und Gefährdung untersucht.

Wann werden Angehörige zu einer Organspende befragt?

Immer wenn ein Hirntod vorliegt und es keinen Spenderausweis gibt. Dann müssen die Angehörigen angesprochen werden, das ist so vorgeschrieben.

Ängste nehmen: Das war auch das erklärte Ziel von Melanie Henkel, Koordinatorin bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation, und Dr. Thomas Meister, Chefarzt der operativen Intensivmedizin im EvK, die anschließend die medizinischen und organisatorischen Abläufe bei einer Organspende erläuterten. Anschaulich und sehr ausführlich erklärten sie, was eigentlich ein Hirntod ist (der als das entscheidende Kriterium für eine mögliche Transplantation gilt). Die Experten erklärten, wie und von wem er festgestellt wird und versicherten, dass ein Spenderausweis die Therapie in keiner Weise beeinflusse – also weiterhin alles getan werde, um den Kranken zu retten: „Dafür lege ich meine Hand ins Feuer“, sagte Dr. Meister. „Wir behandeln immer Patienten, nie Organspender.“

Furchtbare Last für die Angehörigen

Henkel und er plädierten eindringlich für den Spenderausweis, betonten aber ebenso entschieden, dass jedem selbst überlassen sei, ob darauf ja oder nein angekreuzt wird. Wichtig sei nur, dass überhaupt eine Entscheidung getroffen werde. „Sonst bürden Sie diese furchtbare Last im Fall der Fälle ihren Angehörigen auf.“

Organspende sei aus Sicht der Kirchen ein Akt der Nächstenliebe, erklärte abschließend Krankenhaus- und Notfallseelsorgerin Birgit Steinhauer. Allerdings gebe es auch gute Gründe, sich dagegen zu entscheiden. Denn obwohl es vom Hirntod kein Zurück gebe, sei es eben doch kein Toter, sondern ein Mensch im Prozess des Sterbens, über den entschieden werde, erklärte die evangelische Pfarrerin. „Und der wird unterbrochen.“

Bitte mit Vollnarkose

Das spreche nicht gegen eine Organspende, man müsse es sich nur bewusst machen, stellte sie klar. Wie auch dies: „Dr. Meister, wenn Sie mich dann auf dem Tisch haben: Ich will eine Vollnarkose.“