Wesel. Sogenannte Kleinwindkraftanlagen auf Häusern und in Gärten sieht man in Wesel selten: Warum sich das ändern könnte, erklärt ein Experte.
Geht es um umweltfreundliche Energiegewinnung in privaten Haushalten, ist Photovoltaik in aller Munde. Wahlweise in der kleinen, dafür günstigen Variante mit Stecker für den Balkon oder als große Anlage mit vielen Solarplatten auf dem Dach. Windenergie scheint hierbei hingegen kaum eine Rolle zu spielen. Bestätigen kann diesen Eindruck Akke Wilmes, der als Energieberater für die Verbraucherzentrale im ganzen Kreis Wesel berät.
Anfragen in Sachen private Windkraftanlagen bekommt er tatsächlich kaum: Bei den rund 200 Beratungen, die er in diesem Jahr bislang durchgeführt hat, ging es nur fünf oder sechs Mal um Windkraft. „Es ist schon ein Randthema“, ordnet er ein, sei ähnlich exotisch wie Holzvergaser- oder Holzpelletheizungen. Dabei gab es erst kürzlich eine Gesetzesänderung, die das Aufstellen privater Kleinwindkraftanlagen erleichtern sollte.
Für die meisten Haushalte lohnt sich eine Windkraftanlage finanziell nicht
Doch woran liegt das? Schließlich gelten die „großen“ Windräder auch als Retter in Sachen Energiewende. Die Antwort darauf kennt der Energieberater ebenfalls: In den allermeisten Haushalten lohnen sich die kleinen Anlagen fürs Dach oder einen kleinen Mast auf dem Grundstück rein finanziell nicht.
Eine Beispielrechnung: Eine mittelgroße Anlage (Propeller mit einem Meter Durchmesser) erzeugt im Jahr rund 96 Kilowattstunden Strom. Der hat, und auch nur sofern er selbst verbraucht wird, einen ungefähren Wert von rund 33 Euro. Die Anschaffungskosten für eine solche Anlage liegen jedoch bei 3000 Euro aufwärts. Amortisieren würde sie sich also, rein rechnerisch, erst nach rund 100 Jahren.
Mit dieser Information könnte man das Thema zu den Akten legen, doch ganz so einfach ist es nicht. „Wenn ich schon eine PV-Anlage habe und noch immer Bedarf habe, ist Windkraft natürlich eine zusätzliche Alternative“, erläutert Akke Wilmes. Denn im Zusammenspiel mit einer großen Anlage kann die Windkraft umweltfreundlich ergänzen, denn: „Wind macht nachts keine Pause“, scherzt Wilmes und auch in dunklen Jahreszeit ist die Stromproduktion dann nicht an Sonnenauf- und -Untergang gebunden. Hinzu kommt der ökologische Aspekt: „Jede Kilowattstunde, die wir direkt aus Sonne, Wind oder Wasser ziehen, ist wertvoll“, betont der Energieberater.
Energieberater aus Wesel: „Alles war mal eine Nische“
Zudem gibt er zu bedenken: „Wie sich das in den nächsten Jahren entwickelt, hängt natürlich in großem Maß vom Strompreis ab.“ Denn die oben aufgeführte Beispielrechnung geht von rund 34 Cent pro Kilowattstunde aus. Wie schnell sich das aber ändern kann, wurde im vergangenen Jahr deutlich. Akke Wilmes ist sicher: „Wenn wir einen deutlich höheren Strompreis bekommen – 50 oder 60 Cent – dann werden wir die (Anm. d. Red.: Kleinwindkraftanlagen) überall sehen.“
Wer heute schon so ein Mini-Windrad betreibt, tut das entweder aus ideellen Gründen oder aus Interesse an der technischen „Spielerei“, schätzt Wilmes. Doch genau solche Menschen sind es, die für die Gesamtentwicklung wichtig sind. „Wenn es der erste Nachbar macht, kommt der zweite, dritte und vierte“, meint der Energieberater. Und je mehr Menschen es ausprobieren, umso schneller wird ein Markt geschaffen, in dem die Anlagen effizienter und günstiger werden – genau das ist mit der Photovoltaik-Technik auch passiert: „PV ist immer günstiger geworden, deshalb sind wir damit auf einem guten Weg“, hält Wilmes fest. „Aber alles war mal eine Nische. Selbst Wärmedämmung war mal eine Nische.“
Hintergrund: Wie kommt die eigene Windkraftanlage aufs Dach?
Wer sich allerdings dafür entscheidet, sollte zunächst einmal klären, inwieweit das Grundstück überhaupt geeignet ist. Denn dass es einfach nur öfter Mal windig in der Gegend ist, heißt noch nicht, dass es mit der Stromerzeugung klappt. Je mehr Hindernisse drumherum sind (zum Beispiel andere Häuser oder Vegetation) desto schwieriger wird es.
Ein guter Anhaltspunkt kann sein, wie Wilmes erklärt, zunächst mit einer Wetterstation oder einem Windmesser (gibt es beides relativ günstig aus dem Smarthome-Bereich) zu schauen, wie stark der Wind am eigenen Haus weht und wo am besten. Ein guter Indikator, um die richtige Stelle zu finden, sei außerdem das Laub im Herbst: Da wo es sich sammelt, weht kein Wind.
Ist irgendwann die Entscheidung getroffen, sollte als die Baubehörde kontaktiert werden. „Den Weg zur Baubehörde sollte man immer gehen, weil die einem sagen, welche Unterlagen man beibringen muss“, so Wilmes. Tendenziell einfacher haben es Menschen, die in Mischgebieten wohnen, da hier andere Emissionsklassen gelten als in reinen Wohngebieten.
Als grundsätzlicher Rahmen gilt: Die Höhe einer Kleinwindkraftanlage darf zehn Meter nicht überschreiten beziehungsweise das Gebäude auf dem Grundstück um nicht mehr als drei Meter überragen. Auch der Abstand zum Nachbarn muss mindestens drei Meter betragen. Aber: „Die genauen Abstände sind mit der Baubehörde abzustimmen“, betont der Energieberater.