Wattenscheid. Ingrid Borchert gehörte vor 50 Jahren zu den Gründerinnen der bundesweit ersten Damen-Feuerwehr. Die hat ihr kleines Heimatdorf über Deutschland hinaus bekannt gemacht. Für die CDU-Politikerin war dies auch ein Aha-Erlebnis, sich in der Frauenpolitik zu engagieren.

„Feuerwehrfrauen verzweifelt gesucht” hieß der Artikel in der Welt am Sonntag, der Ingrid Borchert (68) abrupt an ihre eigene Vergangenheit erinnert hat: Die CDU-Politikerin war vor genau 50 Jahren Gründungsmitglied der bundesweit ersten Damen-Feuerwehr in ihrem Heimatdorf Weferlingsen. Um die 225 Einwohner zählte das Dorf in der Region Hannover seinerzeit. „Davon waren fünfzig bei der Freiwilligen Feuerwehr”, erzählt Ingrid Borchert. „Das war der einzige Verein, den es im Dorf gab – und natürlich haben wir Mädels da bei den Übungen der Jungs zugeguckt.”

Beim Gucken ist es nicht geblieben: Zum Kreis-Feuerwehrfest kam einer der Wehrleute auf die Idee, eine Mädchen-Wettkampfgruppe für die Einsatzübungen aufzustellen. Also wurden die neun jungen Frauen zwischen 16 und 21 Jahren flugs eingekleidet und machten sich ans Üben.

Acht Tage hatten die Mädchen dafür Zeit – und belegten schließlich unter 60 reinen Männer-Wehren den sechsten Platz. „Das zeigt, dass Mädchen das genauso gut und genauso schnell können wie Jungen”, betont Ingrid Borchert, die damals 18 Jahre jung und Gruppenführerin der Mädchen-Wehr war. „Und wir haben etwas für die Emanzipation erreicht.”

Den Innenminister in Bedrängnis gebracht

Sogar eine Gesetzesänderung löste die Damen-Wehr aus: „Die Existenz unserer Gruppe hat den niedersächsischen Innenminister damals ganz schön in Bedrängnis gebracht, denn der Einsatz von Frauen war im Feuerwehrschutzgesetz gar nicht vorgesehen”, erinnert sich die Wattenscheiderin. Dort sei nämlich nur die Rede gewesen von „männlichen Einwohnern, die das 16. Lebensjahr vollendet haben”.

Nur sechs Prozent Frauen

Unter den insgesamt 1,4 Millionen Freiwilligen Feuerwehrleuten waren 2004 nicht einmal zehn Prozent Mädchen.

Deshalb startete der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) im Jahr 2005 ein Frauenförderprogramm. In den vergangenen Jahren ist der Anteil der weiblichen Angehörigen im aktiven Dienst auf derzeit ca. sechs Prozent gestiegen. Eine stärkere Beteiligung ist in den Jugendfeuerwehren, wo mehr als 20 Prozent der Mitglieder Mädchen sind.

Für Ingrid Borchert, die damals noch Brönnemann hieß, war es „das Aha-Erlebnis, um mich in der Frauenpolitik zu engagieren”. Ihr Heimatdorf haben die Wehrfrauen damals über die deutschen Grenzen hinaus bekannt gemacht: Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen berichteten ausführlich über die erste weibliche Feuerwehr Niedersachsens.

Die Kunde gelangte bis in den Iran, von wo ein Gedicht über die Damen-Wehr zurückkam, und die Schweiz, wo extra ein Marsch für die Mädchen komponiert wurde. Der wird am kommenden Samstag wieder intoniert: bei der Feier zum 50-Jährigen der Damenwehr. „Und das Original des Gedichts lasse ich fürs Feuerwehrhaus rahmen”, hat sich Borchert vorgenommen.

Mehr als fünf Jahre war Ingrid Borchert bei der Damen-Wehr aktiv. Einen Brand mussten die Mädchen im eigenen Dorf übrigens nie löschen: „Nur einmal einen Waldbrand im Nachbardorf.” Heute gehören – und das freut Ingrid Borchert ganz besonders – bei der Freiwilligen Feuerwehr Weferlingsen acht junge Frauen fest zum Team.