Wattenscheid. . Bald hat jeder Schüler mit Behinderung ein Recht auf gemeinsamen Unterricht.Schulen in Wattenscheid sind darauf unterschiedlich gut vorbereitet. Drei Beispiele.

Es wird gemeinhin für gut befunden, dass Kinder mit Behinderung nicht mehr auf die Förderschule kommen, sondern gemeinsam mit nicht-behinderten Schülern unterrichtet werden. Und ab dem kommenden Schuljahr hat sogar jeder Schüler das Recht darauf. Aber – vier Monate vor Schuljahresbeginn – sind die Voraussetzungen für die Inklusion geschaffen?

„Es ist viel zu wenig“, zieht Mechthild Schmitz-Leibold ihre personelle Zwischenbilanz. Ihre Grundschule in Leithe hat schon in den 90er Jahren Inklusions-Versuche unternommen. 20 Schüler mit festgestelltem „sonderpädagogischen Förderbedarf“ werden momentan an der Schule ,inkludiert’, dafür bekommt sie 40 Wochenstunden eines Sonderpädagogen zugebilligt. Effektiv habe sie aber nur 25, sagt sie.

Schüler, die beim Lernen, sprachlich oder emotional beeinträchtigt sind, in den Regelunterricht zu holen, erfordert Fachkräfte, aber auch bauliche Voraussetzungen. Neben der Rollstuhltauglichkeit kann das auch bedeuten: Für Sprachbeeinträchtigte hängt an der Tür zum Sekretariat ein Piktogramm oder für Blinde wird ein Leitsystem mit Bodenrillen und Blindenschrift-Etiketten an den Geländern angebracht.

Und es ist bei weitem nicht jede Schule für jede Behinderung – oder politisch korrekter, jeden Förderschwerpunkt, ausgestattet. An der Grundschule Leithe können die Schwerpunkte Lernen, emotional-soziale, körperliche und sprachliche Entwicklung inkludiert werden.

Wichtig: Personal, das länger bleibt

An der Liselotte-Rauner-Schule sind es dieselben. Auch die Hauptschule war schon früher „Integrationsschule“ und hat aktuell über 60 behinderte Schüler. Etwa zehn sollen im August hinzukommen. Insgesamt fühlt sich Johannes Sowade (kommissarischer Leiter) verhältnismäßig gut gerüstet, sagt er. Die Schule hat sogar als einzige in Wattenscheid einen Aufzug. Zwar sei sie seinerzeit klar „als Hauptschule gebaut worden“ und nicht nach den heutigen Inklusions-Ideen, doch spricht Sowade weniger übers Bauliche, sondern über personale Kontinuität. Obwohl man sehr gute Erfahrungen mit Sonderpädagogen gemacht habe, die länger bleiben, sei bis jetzt eher Fluktuation die Regel gewesen. Die Lehrer wurden befristet auf ein Jahr abgeordnet. Sowade hofft, dass sie in Zukunft länger bleiben. Ob das so wird, weiß er noch nicht. Viele Ausführungsbestimmungen für das neue Gesetz sind noch nicht da.

Bislang erst ein Drittel ‘inkludiert’

Die Stadt Bochum findet deutliche Worte – vor allem über den baulichen Fortschritt der Inklusion vor Ort: „Die heutigen Schulgebäude genügen in der Regel nicht den Anforderungen eines inklusiv arbeitenden Schulbetriebs.“

Seit 2011 wurden 735 000 Euro an Investitionen getätigt, an laufenden Kosten seien rund 190 000 Euro in die Inklusion geflossen. Der weitere Ausbau werden aber noch mehr Personal, Material und Baumaßnahmen – und damit auch finanzielle Mittel – erfordern, die „derzeit nur im sehr begrenzten Umfang zur Verfügung“ stehen. Laut Stadt gibt es im laufenden Schuljahr in Bochum 1573 Schüler, bei denen „sonderpädagogischer Unterstützungsbedarf“ festgestellt wurde. Gute ein Drittel sind im „gemeinsamen Unterricht“. Wie viel es kosten wird, die Inklusion in NRW flächendeckend aufzubauen, weiß übrigens niemand so genau. Verlässliche Zahlen gibt es keine. Städte und Land streiten sich noch darüber, wer die Kosten übernimmt.

Ganz anders sieht die Lage übrigens an der Widar Schule aus. Die hiesige Waldorfschule setzt auch schon lange auf individuelle Förderung, sagt Patrick Neal, kaufmännischer Leiter. Aber ein Konzept für die Einbeziehung von Schülern mit regelrecht festgestelltem „sonderpädagogischen Förderbedarf“ sei noch in Arbeit. Baulich sei der Neubau barrierefrei, der Altbau aber definitiv nicht. Die Widar Schule hat einen schwereren Stand als öffentliche Schulen: Als Elternverein-getragene Schule muss sie schauen, woher sie das Geld für die Umstrukturierung bekommt.