Wattenscheid. .

Vor genau 75 Jahren brannten in der Nacht vom 9. auf den 10. November in Deutschland die Synagogen. Etwa 1500 Menschen fanden während der Reichspogromnacht den Tod, 177 Wohnhäuser, 7500 jüdische Geschäfte und 1406 Synagogen wurden zerstört. Die Nationalsozialisten verschleppten 3100 jüdische Bürger in Konzentrationslager. Auch in Wattenscheid stand am 10. November 1938 gegen 7 Uhr der Dachstuhl der Synagoge in Flammen. Als die Freiwillige Feuerwehr eintraf, war fast alles bereits niedergebrannt. Schaufenster jüdischer Geschäfte gingen in der Innenstadt zu Bruch.

Stele lässt auf alten Standort sehen

Bereits gestern erinnerte die Antifa am Ort der früheren Synagoge, am heutigen Nivelles-Platz, an die Opfer der Shoa. Als Grund für die vorgezogene Gedenkveranstaltung nannte Hannes Bienert, Sprecher der Antifa Wattenscheid, bereits vorab, „dass Samstag Sabbat ist, den die Mitglieder der jüdischen Gemeinde auch traditionell einhalten möchten.“ Als Moderator führte Heinz-Werner Kessler, Vorsitzender des Heimat- und Bürgervereins Wattenscheid, durch das Programm. Er skizzierte zunächst das Aussehen der ehemaligen Synagoge, wies daraufhin, dass die mittlere der drei Stelen mit einer Schräge in der heutigen Zeit den Blick auf den Standort freigeben würde.

Die Grundmauern hätten dort noch bis ins Jahr 1983 existiert, zwischenzeitlich seien die Wände Teil einer Garage gewesen. „Die Geschichte der Wattenscheider Synagoge kann als Beispiel dafür dienen, wie mit der Geschichte der Judenverfolgung und der Shoa in der Bundesrepublik Deutschland bis weit in die 1980er umgegangen wurde: Vieles wurde unter den Teppich gekehrt, verdrängt und geleugnet“, mahnte Kessler.

Erst auf Bienerts Initiative hat der Ort mit den drei Stelen einen würdigen Rahmen erhalten. Bienert betonte, was die Arbeit der Antifa ausmache: „Unsere Aufgabe besteht mit darin, das Bewusstsein der Jugend zu sensibilisieren.“ Das Wegschauen, das Zuschauen, die Passivität habe die faschistischen Verbrechen möglich gemacht.

Umso mehr freute er sich darüber, dass auch die jüngere Generation die Gedenkveranstaltung akzentuierte. Alina Röllke, früher Märkische Schülerin, las Gedichte vor. Von der Maria Sibylla Merian-Gesamtschule hatten Lena Breuer, Nadine Drobny und Charlotta Coutourier Programm vorbereitet. Daneben wandte sich Dr. Michael Rosenkranz, Vorsitzender der Repräsentantenversammlung der jüdischen Gemeinde, mit einigen Worten an die rund 40 Teilnehmer. Felix Lipski, Überlebender des Ghettos von Minsk, verlas die Namen der Wattenscheider jüdischen Glaubens, die der Shoa zum Opfer gefallen sind. Vorbeter Mosche Daikhine sprach das Totengebet.