. Aktion von ev. Kindergärten und Gemeinden soll Tabu dieses Themas brechen. Heute startet die Kampagne vor der Friedenskirche

Nicht jedes Kind mag es, wenn Tante Luise ihm einen schwabbelig-feuchten Kuss auf die Wange drückt. Doch nur wenige Kinder sagen es. Sie trauen sich – sei es beim „nur“ unangenehmen Schlabberkuss, aber eben auch bei sexuellen Handlungen – oftmals nicht, andere, vor allem Familienmitglieder, abzuweisen. Hier setzt der ev. Kirchenkreis GE-WAT an. Sechs ev. Kindergärten- und Kindertagesstätten machen mobil unter dem Motto „Kein Raum für Missbrauch“. Denn dieser fange dort an, wo Kinder Körperliches und Seelisches hinnehmen müssen, was ihnen nicht behagt, ein schlechtes „Bauchgefühl“ besorgt.

Heute starten die Kitas und Gemeinden in der Friedenskirche ihre Kampagne, „die Aufsehen erregen wird – und soll“, so Christiane Wegers, Geschäftsführung der Kiga-Gemeinschaft. Die Kitas mit ihren insgesamt 300 Kindern – allesamt in weiße T-Shirts oder Hemden gekleidet – werden gegen 10.30 Uhr vor der Friedenskirche eintreffen. Nach einer ca. halbstündigen, kindgerechten Andacht, die der Höntroper Pfarrer Holger Dirks halten wird, „und bei der alle auch fröhlich sein und singen sollen“, stellen sich die Knirpse gegen 11 Uhr vor der Kirche zu einem großen, weißen „X“, dem offiziellen Zeichen der Aktion „Kein Raum für Missbrauch“, auf. Auf ein ebenfalls weißes Banner sind Zeichnungen geheftet, die die Kinder zuvor in den Einrichtungen gemalt haben. Die Bilder zeigen „Gefühlsgesichter“, lachende, traurige, scheue, unsichere Mimiken.

„Auf die Aktion vorbereitet wurden die Kinder sehr sensibel, behutsam,“ so Doris Weiß, Leiterin des Familienzentrums Martin-Luther-Kinderhaus, und Simone Zimmeck-Gantenberg, Leiterin der Ludwig-Steil-Kita. Grundlage der Prävention ist das Bilderbuch „Ich dachte, Du bist mein Freund“. Darin spielt ein kleiner Bär mit seinem großen Freund, dem Wolf. Am Anfang sind die Spiele lustig. Der Bär fasst Vertrauen zum Wolf, doch der wird immer wilder und will Spiele spielen, die dem Bären nicht mehr gefallen. Doch soll der Bär „niemanden vom Geheimnis erzählen“, so der Wolf. Die Bilder werden immer dunkler, bedrohlicher. Schließlich erzählt der kleine Bär anderen, was der Wolf macht – und der wird auch dafür bestraft. „Wie mein Papa“ gibt eine der Erzieherinnen eine Kindes-Reaktion wieder. „So kommen wir ganz vorsichtig ins Gespräch.“

Christiane Wegers: „Unsere Kinder erfahren, dass sie sich nicht einschüchtern lassen müssen und schlechte Geheimnisse ausplaudern dürfen.“ Zur Aktion mit dem „X“, die bis Weihnachten in Kitas und Gemeinden laufen wird, gehören auch Eltern-Themenabende und Einzelgesprächsangebote.

Wie hoch die Dunkelziffer des kindlichen Missbrauchs in WAT ist, wissen die Erzieherinnen nicht. Zahlen gebe es nicht, nur Vermutungen und diese gäben Anlass zur (Vor-)Sorge, heißt es.

Durch die U-3-Betreuung habe man jetzt noch mehr Chancen genau hinzuschauen, so Doris Weiß. Die Aktion, Tätern keinen Raum zu geben, könne sich auch trägerübergreifend auswirken.