Wattenscheid.

Die Thematik ist an Brisanz kaum zu überbieten. Die Berichte über Missbrauchsfälle im Landerziehungsheim „Odenwaldschule“ sorgten 2010 deutschlandweit für Fassungslosigkeit. Nun dürfte das Thema ein weiteres Mal aktuell werden: Am 15. August begannen die Dreharbeiten zum Film „Die Auserwählten“ von Regisseur Christoph Röhl, der die Vorkommnisse aufgreift und in einem fiktionalen Rahmen darstellt.

Der Wattenscheider Autor und Schauspieler Patrick Joswig (38) übernimmt dabei die Rolle von Frank Hoffmann: „Ich spiele den mittlerweile erwachsenen ehemaligen Schüler, der durch seine Aussagen die ganze Sache erst ins Rollen bringt.“ Sein jüngeres 13-jähriges Ich wird von Leon Seidel verkörpert, bekannt durch seine Darstellung von Huckleberry Finn in zwei „Tom Sawyer-Filmen“. Drehstart ist für Joswig am morgigen Samstag: „Zunächst in Frankfurt am Main. Danach werden wir auch am Originalschauplatz in Heppenheim drehen.“ Die Leitung der heutigen Odenwaldschule unterstütze dabei das Aufklärungs- und Präventionsinteresse des Projektes.

Ein heißes Eisen

Bereits im Jahre 1998 berichteten ehemalige Schüler über sexuelle Übergriffe und Missbrauchsfälle durch den ehemaligen Rektor und Lehrer während der 1970er und 1980er Jahre. Nachdem die strafrechtliche Verfolgung aufgrund von Verjährung eingestellt wurde, dauerte es zwölf Jahre, bis eine erneute Untersuchung weitere Details ans Licht brachte. Der 38-Jährige weiß: „Es ist natürlich ein heißes Eisen, an das sich Regisseur Christoph Röhl wagt.“

Dieser war von 1989 bis 1991 als Englisch-Tutor am Elite-Internat beschäftigt. Seine Dokumentation „Und wir sind nicht die Einzigen (2011)“ ließ Zeitzeugen, Schüler wie Lehrer zu Wort kommen, bestach durch eine fast beklemmende Authentizität und wurde für den Deutschen Filmpreis nominiert. Dass die schockierenden Vorfälle nach wie vor von größter Aktualität sind, steht für Joswig außer Frage: „Das Perfide an der ganzen Sache ist, dass niemand belangt werden konnte. Der Stoff birgt also genug Potenzial, um noch einmal ein Medien-Echo zu generieren und vielleicht zur weiteren Aufklärung beizutragen.“

Zur Vorbereitung auf seine Rolle hat er sich unter anderem Röhls Doku angeschaut und lässt sich seit einem Monat einen Vollbart stehen: „Die Rolle ist natürlich schwierig. Kontakt zu Betroffenen hatten wir allerdings nicht, da diese ihre Geschichte nicht ständig wiederholen wollen.“ Die Ausstrahlung des WDR/ARD-Films ist für 2014 im Ersten geplant.

Julia Jentsch, u.a. „Effie Briest“, übernimmt die weibliche Hauptrolle und spielt die Lehrerin Petra Grust, die ihren ehemaligen Schüler Frank Hoffmann (Joswig) 30 Jahre später wieder trifft.

Ulrich Tukur verkörpert die Rolle des fiktiven Schulleiters Simon Pistorius. Der renommierte Schauspieler erlangte 2006 durch seine Darstellung im Oscar-preisgekrönten Film „Das Leben der Anderen“ weltweite Berühmtheit und überzeugte 2012 als Erwin Rommel.