. Heimatforscher Rudolf Wantoch über die Gelsenkirchener Insel und die Kneipe, in der der Wirt das Bier in Bochum zapfte und es in Günnigfeld getrunken wurde

Eine unglaubliche Geschichte: Zunächst erschien in der Gelsenkirchener WAZ-Ausgabe und dann noch einmal in der WAZ-Wattenscheid ein Bericht über eine „Insel“ in Bochum. Ja, das hatte doch der Preußische Landtag in Berlin so im Juni 1929 beschlossen. Und weil das so beschlossen wurde, ist es auch heute noch ein gültiges Gesetz.

Rückblick: In den 1920er Jahren fand ein unglaublicher Eingemeindungskampf zwischen den Ruhrgebietsstädten statt. Grenzen und Gebietszuordnungen wurden willkürlich quer durch viele alte Gemeinden gezogen und neue Städte und Stadtgebiete entstanden im Jahre 1926.

Eine Berichtigung hat dann 1929 im Preußischen Landtag in Berlin – nach mehreren Lesungen – stattgefunden. Doch parteipolitische Interessen verhinderten viele Berichtigungen. Zum Beispiel verlief die Stadtgrenze zwischen Wattenscheid-Günnigfeld und Bochum-Hordel längst durch eine Häuserreihe und damit auch durch eine Günnigfelder Gaststätte. Der Wirt zapfte das Bier in Bochum und die Gäste an der Theke tranken es in Wattenscheid-Günnigfeld aus.

Der Günnigfelder Friedhof war bei der Eingemeindung 1926 nach Gelsenkirchen-Ückendorf geschlagen worden. Diese Veränderung wurde 1929 berichtigt, aber Quadrat-Millimeter genau. Nur kein Stückchen Land mehr an Günnigfeld abgeben – und so entstand die Exklave in Bochum–Hordel. Hinzu kam noch der Verlauf der Erzbahntrasse, die das Stückchen Erde jeglichen Zugang von Gelsenkirchener Seite versperrte. Selbst die Kölnische Zeitung kritisierte in ihrer Ausgabe Nr. 392 b von 1929 diese eigentümliche Entscheidung.

„Während die Reichspolitik bestrebt ist, Exklaven zu beseitigen, schaffte man hier willkürlich eine völlig unnötige und neue Exklave! An der Rechtskräftigkeit des Landtagsbeschlusses ist wohl nichts mehr zu ändern.“ Die Kölnische Zeitung führte noch einige weitere Unzulänglichkeiten auf.

Und aus dem WAZ-Bericht: Über die beiden Anwohnerinnen Bernhild Matamoros und Hildegard Wischnak berichtete die WAZ bereits. Sie hatten es schon geahnt. Das Gerücht, jemand hätte hier ein Stückchen Gelsenkirchen bei ihnen im Bereich Hordel/Günnigfeld vergessen, hatte sich schon länger in ihrer Evastraße gehalten. Die Nachbarinnen studierten den Lageplan und waren trotzdem erstaunt. „Ich dachte immer, das gehört noch zu Bochum“, sagt Hildegard Wischnak. Jeden Morgen, wenn sie ihre Rollos hochziehen, schauen die Damen aus ihren Wohnungen in der Evastraße ins Grüne, die Insel auf GE-Gebiet.

Die Grenze des Gelsenkirchener Eilands verläuft mitten durch einen Strommast. Rechts und links liegen Erzbahntrasse und ein Wall, auf dem Jogger bis zur Jahrhunderthalle laufen können. An der Tanne, die vor der Rasenfläche aus dem Boden wächst, wirbt ein Unternehmen mit der Verpachtung von Gartenland.

Einige Gartenhäuschen stehen dort noch, der Hüller Bach fließt hindurch.