Gelsenkirchen. Zwischen Günnigfeld, Hordel und Wanne-Eickel liegt eine Fläche, die zu Gelsenkirchen gehört. Die Exklave wurde wohl beim Vermessen verbummelt.

Bei Günnigfeld liegt umgeben von Bochumer, Wattenscheider und Herner Gebiet ein Streifen Land, der allerdings zu Gelsenkirchen gehört. Die Grenze des Gelsenkirchener Eilands verläuft mitten durch einen Strommast.

Eine Art vergessene Insel: Auf diesem zwei Hektar großen Fleckchen könnte man sogar Urlaub machen, den Sonnenstuhl ausklappen und seine Füße ins Gras graben. Im Sommer blüht und grünt es nämlich auf dem Brachgelände, das genau zwischen Bochum und Herne liegt. Vermutlich wurde das unbewohnte Stück Land bei der Neugliederung der Stadtgebiete einfach übersehen.

Bernhild Matamoros und Hildegard Wischnak haben es schon geahnt. Das Gerücht, jemand hätte hier ein Stückchen Gelsenkirchen bei ihnen im Bereich Hordel/Günnigfeld vergessen, hält sich schon länger in ihrer Evastraße. Die Nachbarinnen studierten den Lageplan und waren trotzdem erstaunt. „Ich dachte immer, das gehört noch zu Bochum“, sagt Hildegard Wischnak. Jeden Morgen, wenn sie ihre Rollos hochziehen, schauen die Damen aus ihren Wohnungen in der Evastraße ins Grüne, auf Gelsenkirchener Gebiet.

Erzbahntrasse daneben

Gleich neben ihrem Haus, das am Ende eines Wendehammers steht, verläuft die Grenze zu dieser Exklave – auf der es aber eigentlich nicht viel zu sehen gibt. Früher waren hier Schrebergärten mit Apfelbäumen, eine Bauernfarm mit Pferden und Ziegen, erinnert sich die 78-jährige Hildegard Wischnak, die schon seit 54 Jahren an der Insel lebt. „Aber das haben sie wegen der Stromleitungen aufgekauft und plattgemacht.“

Die Grenze des Gelsenkirchener Eilands verläuft mitten durch einen Strommast. Rechts und links liegen Erzbahntrasse und ein Wall, auf dem Jogger bis zur Jahrhunderthalle laufen können. Ein Unternehmen warb sogar mit der Verpachtung von Gartenland. Einige Gartenhäuschen stehen dort noch, der Hüller Bach fließt hindurch und im Sommer wächst das Gras manchmal viel zu hoch.

So klein wie die Insel, so schlank ist auch ihre Akte. Daniela Friedl arbeitet im Referat für Vermessung und Kataster der Stadt Gelsenkirchen und zückt den Ordner mit der „Flur 21“ nur selten. „Offiziell gehört die Exklave zum Stadtteil Ückendorf und liegt zwischen den Gemarkungen Günnigfeld und Hordel der Stadt Bochum und der Gemarkung Wanne-Eickel der Stadt Herne.“ Gelsenkirchen selbst hat kein Eigentum auf dem etwa 100 mal 200 Meter großen Stück Land. Vier private Eigentümer teilen sich das unbebaute Gebiet.

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Von Kristina Mader

In den 1920er-Jahren sei die Exklave im Zuge der kommunalen Neugliederung des Rheinisch-Westfälischen Industriegebietes entstanden. Bei der Neugliederung gab es komplizierte Grenzregulierungen, alte Flurgrenzen wurden begradigt, ganze Landstriche ausgetauscht. In Gelsenkirchen verblieb die Exklave – „ob das Absicht war oder die Flur schlichtweg vergessen wurde, lässt sich nicht ermitteln“, sagt Daniela Friedl. Könnten Bochum und Herne die Insel nicht einfach erobern? „Das wäre viel zu aufwändig und müsste zunächst gesetzlich geregelt werden“, sagt Friedl. Eine „Annexion“ des Gebiets müssten Politiker im Landtag beschließen. „Das ist zu komplex.“ Also bleibt die Insel Gelsenkirchener Territorium.

Bernhild Matamoros und Hildegard Wischnak stört das nicht. Sie genießen weiterhin die Aussicht auf die grüne Insel Gelsenkirchen.