Die Umsätze der Branche wachsen zwar, aber davon profitieren vor allem Supermärkte und Selbstbedienungsläden. Seit 1997 findet ein dramatischer Verdrängungswettbewerb statt.

Wattenscheid. Karl-Ernst Schmalz schmeckt’s. Krosse Kruste, fluffige Krume, so soll ein Brot sein. Der Tester notiert: 100 von 100 Punkten für dieses Roggenmischbrot. Qualitätsprüfer Schmalz testete sich neulich – öffentlich in der Bochumer Sparkassenzentrale – im Auftrag der Bäcker-Innung Ruhr durch Dutzende Brote, die Bäckereien der Region ihm aufgetischt hatten. Viele Betriebe setzen auf solche Prämierungen, um sich von der Konkurrenz abzusetzen – denn das Geschäft ist nach wie vor hart.

Die Umsätze der Branche wachsen zwar, aber davon profitieren vor allem Supermärkte und Selbstbedienungsläden. „Seit 1997 findet ein dramatischer Verdrängungswettbewerb statt“, sagt Jürgen Böhm (64), Geschäftsführer der Bäcker-Innung. Damals endete das Nachtbackverbot, das das Backen erst ab 4 Uhr gestattete. „Danach hat ein großer Preiskampf eingesetzt. Unternehmen wie Kamps wären gar nicht denkbar, wenn es das Nachtbackverbot noch gäbe. Wie sollten die sonst 1000 Läden beliefern“, so Böhm.

Nur noch drei Wattenscheider Bäckereien backen selbst: Hans-Peter Strack an der Straße Op de Veih, Blankenhaus an der Markusstraße und Paul Stirnberg an der Krayer Straße. Außerdem die Mühlenbäckerei mit Filialen im halben Ruhrgebiet oder das türkische Unternehmen Bereket, sowie die Back-Bord auf dem Hollandgelände. „Als ich in der Lehre war, gab es in Wattenscheid zwölf, 13 Bäckereien“, sagt Paul Stirnberg (62). Allein in Leithe habe es noch vor 20 Jahren vier Betriebe auf 250 Metern gegeben. „Inzwischen habe ich allein schon Probleme, zu bestehen.“

60 Prozent aller Backwaren werden heute über Supermärkte und Selbstbedienungsläden verkauft. „30 Prozent der Leute kaufen nur nach dem Preis, weil sie sich gar nichts anderes leisten können“, sagt Jürgen Böhm. Der Trend geht schon seit Jahren zum „Prebake“ – Brote werden nur vorgebacken und so an Supermärkte geliefert, die die Waren noch einmal in den Ofen und dann warm in die Auslage schieben.

Kinderlose und Doppelverdiener

„Früher konnten wir über die Frische punkten“, sagt Bäcker Stirnberg. „Heute bieten die Supermärkte bis 22 oder sogar 24 Uhr warme Brötchen.“ Das seien zwar nichts weiter als „vorgegarte Teiglinge“, doch die Kunden hätten die Vorstellung, frisches Brot in den Händen zu halten. Supermärkte, Kioske und Tankstellen beziehen ihre Ware von Backfabriken.

Trotz dieser wenig romantischen Entwicklung besteht durchaus Grund zum Optimismus. „Es gibt genug Leute, die bereit sind, für Qualität mehr Geld auszugeben“, sagt Böhm und hat „Kinderlose und Doppelverdiener“ im Sinn. Das sei für Bäcker eine Marktlücke. Motto: Lieber weniger verkaufen und über den Preis den Gewinn steigern. Denn die relativ niedrigen Brötchenpreise machten es seinen Kollegen schwer, ihre Kosten zu decken: „Bei einem Kleinbetrieb mit 200 000 Euro Jahresumsatz sind zehn Prozent Gewinn sehr wenig.“ Auch deshalb ist Paul Stirnberg skeptisch. Am Brottest der Innung nimmt er schon seit Jahren nicht mehr teil. So eine Urkunde, sagt er, interessiere heute keinen mehr. Er freut sich auf die Rente: „Wir hatten schöne Zeiten. Aber jetzt ist auch gut.“