Wattenscheid. .
Hubert Wimber hat die Debatte eröffnet. Der Münsteraner Polizeichef fordert eine drastische Kürzung im Aufgabenkatalog seiner Behörde. So sollen die Bürger kleinere Verkehrsunfälle oder nächtliche Ruhestörungen zukünftig unter sich klären. Doch welche Aufgaben übernimmt die Polizei überhaupt in der Hellwegstadt? Auf welche Aufgaben würden die Beamten gerne verzichten, welche Einsätze können keinesfalls gestrichen werden? WAZ-Mitarbeiter Christopher Becker sprach darüber mit Uwe Danz, stellv. Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Bochum.
Haben Polizisten zu viel zu tun?
Danz: Die Diskussion ist ja nicht neu. Seit Jahren diskutieren wir über strategische Fragen. Dass allerdings jetzt ausgerechnet die für die Bürger relevantesten Aufgaben infrage gestellt werden, ist ein Hammer. Da muss einem die Hitze zu Kopf gestiegen sein, oder man will pensioniert werden. Ich kann das nicht nachvollziehen.
Aus Sicht der Gewerkschaft sollte die Polizei also weiterhin bei Ruhestörungen zum Einsatz kommen?
Ja, ich wohne selbst in einem 30-Familien-Haus und weiß, was dort los sein kann. Bei den aktuellen Temperaturen können wir doch alle nur nachts das Fenster aufmachen – sowohl die, die feiern, als auch die, die schlafen wollen. Da ist Stress vorprogrammiert. Natürlich ist es besser, miteinander zu reden. Aber wenn dann ein Ruhestörer betrunken die Tür aufmacht, wirkt eine Uniform doch im wahrsten Sinne des Wortes wesentlich ernüchternder. Als Polizist weiß ich, wie ich auf solche Leute zugehe.
Was ist mit Verkehrsunfällen?
Es gilt das gleiche Prinzip. Man kann den Bürgern nicht einfach sagen: „Seht zu, wie ihr klar kommt.“ Zum Unfall gehört eine neutrale Instanz.
Welche Alternativen gibt es dann zu den Aufgabenkürzungen?
Fakt ist, dass die Bürger nicht beeinträchtigt werden dürfen. Interne Arbeitsprozesse müssten hingegen deutlich vereinfacht werden. So dauerte eine Unfallaufnahme früher rund 15 Minuten, heute brauche ich dafür über ein Stunde. Fotos sind zum Beispiel quatsch, die kann jeder selbst machen. Da geht es nur um Schadensersatzansprüche, das ist eine rein zivilrechtliche Geschichte. Insgesamt beschäftigen wir uns viel zu viel mit Statistiken. Was hat der Bürger davon, wenn wir erheben, dass auf einem bestimmten Parkplatz einhundert Unfälle stattfanden? Ein reiner Datenfriedhof, der unheimlich viel Zeit kostet und uns an Kernaufgaben hindert.
Wie sieht also die Polizei von morgen aus?
Wir stehen tatsächlich vor einer großen Zäsur. 2000 Polizisten gehen landesweit pro Jahr in Pension, bei 1400 Neueinstellungen in einem Personalkörper von 40 000. Dazu kommen neue Aufgaben, zum Beispiel zur Bekämpfung von Cyberkriminalität. Daher fordern wir schon lange, 300 Polizisten mehr im Jahr einzustellen. Vor Ort gilt aber trotzdem, dass wir alles daran setzen, den Bürgern schnellstmöglich zu helfen – wie bisher. Daher hoffen wir auch, dass der Einsatz von Bezirksbeamten weiterhin möglichst vorgangsfrei, also ohne größere Ermittlungstätigkeit, abläuft. Denn den Wunsch nach mehr Schutzmännern auf Fuß-Streife können wir nicht erfüllen.