Wattenscheid. .
Arm- und Beinbrüche gibt es beim Jugendrotkreuz (JRK) in der Hellwegstadt ab sofort auf Bestellung: Denn die Nachwuchs-Gruppe des Roten Kreuzes ist im Rahmen der „realistischen Notfalldarstellung“ dafür zuständig, Mimen zu schminken und als „Unfallopfer“ zu agieren. „Die realistische Unfalldarstellung ist bei uns noch nicht so weit verbreitet. Aber wir wollen jetzt richtig durchstarten“, gibt Mark Büteröwe, stellvertretender JRK-Leiter, den Tenor für die nächsten Monate vor.
Dabei ist durchaus schauspielerisches Talent gefragt. Außerdem müssen sich die 16- bis 19-Jährigen anatomisch und medizinisch auskennen: „Denn man sollte schon wissen, wann man schreit“, schildert Mark Büteröwe. Wenn der Sanitäter im Ernstfall einen falschen Handgriff tätigt, könne das schlimme folgen haben. So sei es umso wichtiger, in den Übungen mit geschulten Opfern, die täuschend echt wirken und aussehen, fachmännisch umzugehen. „Viele stellen sich das einfach vor. Ein falscher Handgriff muss allerdings unverzüglich erkennbar sein, allein das Schreien ist von großer Bedeutung“, erklärt DRK-Vorsitzender Thorsten Junker.
Um die Sache möglichst professionell anzugehen, trainiert die JRK-Gruppe einmal im Monat. Ersthelfer-Kurse sind im Vorfeld für alle beteiligten Pflicht. Wie stellt man ein desorientiertes Opfer dar, ohne äußere Verletzungen? Wie verhält sich ein Verletzter mit einer Prellung, einer Fraktur oder einem abgetrennten Körperteil? Alles muss für die offiziellen Übungen mit Notärzten oder Sanitätern abgestimmt sein. „Ohne die Mimen könnte so etwas nicht stattfinden“, stellt Büteröwe klar. Und wie gut das JRK aus der Hellwegstadt in der „realistischen Notfalldarstellung“ ist, kann sich in dem einen oder anderen Fall schnell zeigen – wenn auch ungewollt: „Es kam schon vor, dass Passanten in Anbetracht der Opfer tatsächlich den Rettungsdienst gerufen haben“, berichtet der 20-Jährige.
Für das Aussehen, das eben nicht nur täuschend echt, sondern auch schön schrecklich sein soll, ist beim JRK der ausgebildete Schminker Norbert Vlatten zuständig. Fünf Schritte sind nötig, um aus einem gesunden Menschen einen fast sterbenden zu machen: „Zunächst wird zum Beispiel ein Finger abgeklebt. Dann wird der Stumpf mit Moulage-Kit verlängert. Es folgen das Pudern und das Anreißen, die Wundfläche entsteht. Bei Bedarf kann auch eine Pumpe installiert werden, damit längerfristig Blut fließt“, erläutert Vlatten die Simulation eines abgetrennten Fingers. Bei einer Übung ist er im Vorfeld vier Stunden beschäftigt, nachher noch einmal zwei Stunden damit, die Mimen wieder abreisebereit zu machen. „Wir wollen ja nicht, dass jemand in der Straßenbahn den Rettungsdienst ruft.“ Welche Verletzungen es sein sollen, muss vorab besprochen werden. „Kompliziert sind immer Verbrennungen mit künstlicher Haut. Dazu muss ein Gelee erwärmt, Blasen müssen zusätzlich erzeugt werden.“ Vlatten braucht allein dafür eineinhalb Stunden.
Dass die „realistische Notfalldarstellung“ für das Rote Kreuz nicht billig ist, kann man sich vorstellen. Eine kleine Flasche Kunstblut kostet fünf Euro, die Utensilien werden bei einem Hersteller fürs Theater bestellt. Der Koffer von Norbert Vlatten ist aber schon gut gefüllt: „Obwohl wir erst am Anfang stehen. Da kommt noch mehr.“