Wattenscheid. . Duchenne-Muskeldystrophie-Patienten haben in Deutschland wenig Lobby. Ein Gespräch mit Silvia Hornkamp vom gemeinnützigen Verein „Benni & Co.“.

Ende August laufen an der Kemnade wieder „gesunde Beine für kranke“. Anlass genug für die WAZ, bei „Benni & Co“ nach dem Stand der Dinge zu fragen. Der gemeinnützige Verein mit Büro in Wattenscheid ist deutschlandweit die Anlaufstelle für Eltern, deren Kinder an Duchenne-Muskeldystrophie (DMD, umgsp. Muskelschwund) erkrankt sind, und setzt sich von dort aus für die Erforschung wirksamer Muskeldystrophie-Therapien ein. WAZ-Mitarbeiter Fabian May sprach mit Silvia Hornkamp, die im achten Jahr die Geschäfte des Vereins führt und den 7. Kemnader Benefizlauf mitorganisiert.

Wie wird der Kemnader Burglauf dieses Jahr aussehen?

Es wird wieder in drei Disziplinen gelaufen, Bambinis extra. Die Läufer sind einfach toll, sie kommen immer wieder. Es werden wieder sehr viele Duchenne-Jungen mit ihren Eltern anreisen. Für die Jungs ist es immer ein großes jährliches Wiedersehen. Gerade weil viele von ihnen nicht beim Hüpfen oder Kistenklettern mitmachen können, ist es schön, dass diesmal ein Zauberer Show machen wird.

Welche Summen kommen bei so einem Lauf zusammen?

Die vergangenen Jahre sind wir jeweils auf rund 17 000 Euro gekommen.

Was kostet die Behandlung eines Duchenne-Patienten im Jahr?

Das lässt sich nicht pauschal sagen. Tatsächlich ist das eines der Interessen, die wir mit dem Bundesgesundheitsministerium teilen: solche Kosten zu beziffern. Gesundheitsökonomen aus Bayreuth arbeiten an dieser Frage.

Wie viele Fälle von DMD sind Ihnen in Wattenscheid bekannt?

Hier vor Ort weiß ich von etwa sieben, bochumweit von 15. Bundesweit sind es wohl rund 3000. Auch wir wissen natürlich nicht von allen Fällen, manche betroffenen Familien machen das lieber mit sich selbst aus. Grundsätzlich ist es aber wünschenswert, dass wir eine Gemeinschaft sind und eine starke Stimme haben.

Worin besteht Ihre Arbeit?

Unser Ziel ist laut Satzung, die Forschung zu fördern. Man braucht natürlich Spendengelder, um überhaupt agieren zu können. Hat man die, wird gefragt: Welche Unis oder Kliniken forschen denn an DMD?

Sie investieren in die Forschungsansätze, die Erfolg versprechen?

Ja. Wir haben einen medizinischen Beirat, der da genau hinguckt, und bei Förderungen über 50 000 Euro befragen wir unsere 780 Mitglieder.

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Wo liegen die Einrichtungen, mit denen Sie zu tun haben?

Wir sind z. B. in Kontakt mit Forschern in München, Freiburg und Essen, und halten überhaupt in ganz Europa und weltweit Ausschau. Kürzlich haben wir einen Forschungspreis über 100 000 Euro nach Newcastle vergeben, wo Hanns Lochmüller an einer guten Idee arbeitet, die mit Muskelzellen-Züchtung zu tun hat.

Welche weiteren Ansätze gibt es?

Es gibt Gruppen, die an der Stärkung der Herzmuskulatur arbeiten, andere an der Immuntherapie. In Leiden in den Niederlanden wird ein neuer Therapieansatz namens „Exon Skipping“ entwickelt. Grob gesprochen wird dabei in die Dystrophin-Kette, in der ein Molekül fehlt, ein Pflaster-Molekül eingefügt, damit der Rest der Kette funktioniert.

Man muss aber sagen: DMD ist keine Erkrankung, die in den nächsten Jahren zu heilen wäre, man kann sie bloß therapieren.

Wie weit ist die Forschung?

Projekte wie das Exon Skipping sind über die Grundlagenforschung hinaus, auf manchen Gebieten sind wir noch auf Grundlagenwissen angewiesen. Das strukturelle Problem: In Deutschland, Land der Ideen, gibt es keinen eigenen Lehrstuhl für Duchenne-Forschung. Wir haben zwar Kapazitäten, aber auch die klagen über zu wenig Nachwuchs. Man muss übrigens feststellen, dass DMD im europäischen Ausland als wesentlich wichtiger anerkannt wird.

Was kann man da tun?

Wir möchten die Duchenne-Jungs hinterm Vorhang hervorholen.

Die Schulen sind zum Teil überfordert mit der Inklusion der Jungs, abhängig von Lehrkraft und Konzept der Schule. Lehrer müssen z. B. sensibel dafür sein, dass Kopfweh und Konzentrationsprobleme bei Duchenne-Patienten auf DMD-bedingten Sauerstoffmangel hindeuten können. Ich weiß von einem Kindergarten, der sich wegen der Duchenne-Erkrankung geweigert hat, einen zunächst relativ unauffälligen Vierjährigen aufzunehmen. Da ist noch viel Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Selbst medizinische Dienste verwechseln Duchenne oft mit anderen Muskelerkrankungen. Hier wäre es wünschenswert, dass DMD in der internationalen Benennung einen eigenen Code bekommt, damit die Kassen die Eigenheit der Erkrankung anerkennen. Duchenne-Jungs sitzen oft schon ab sechs Jahren im Rollstuhl. Wenn Sie für jedes Hilfsmittel neu diskutieren müssen, ist es schwierig für die Eltern.

Was wünschen Sie sich langfristig für die Patienten?

Ein bundesweit gut erreichbares Duchenne-Zentrum. Das müsste aber nicht von Stadt oder Land, sondern vom Bund unterstützt werden. Und die Mühlen mahlen langsam.

Wo könnte dieses Zentrum stehen?

Hier in Bochum!