Wattenscheid. .
Seit Monaten bangen die rund 65 Mitarbeiter der Firma Solutions Modelogistik GmbH um ihre Arbeitsplätze, wollen endlich Klarheit. Der Radici-Konzern will den Betrieb an der Burgstraße, letzter Rest des traditionsreichen Steilmann-Kapitels in Wattenscheid, schließen. Den Beschäftigten droht die Kündigung. In einem offenen Brief an die Unternehmensleitung protestieren sie gegen das Vorgehen.
Die Verhandlungen über einen Sozialplan und Interessensausgleich sind gescheitert, derzeit läuft ein Einigungsstellenverfahren. Die Versendung der Oberbekleidung soll zukünftig über einen externen Dienstleister erfolgen. Der Standort in Wattenscheid sollte eigentlich schon Ende Juni geschlossen werden, hatte der Konzern Mitte Februar verkündet. Bisher wird dort noch gearbeitet, die Räumlichkeiten sind bis Ende September 2012 angemietet.
„Es ist für uns Mitarbeiter eine unerträgliche Situation, immer wieder neue Kündigungstermine zu erfahren. Da dem Betriebsrat bislang keine konkreten Angebote und Unterlagen zur Verfügung gestellt wurden, muss nun im Einigungsstellenverfahren ein Interessensausgleich und Sozialplan verhandelt werden. Erst dann werden wir erfahren, wann wir gekündigt werden und mit welchen Abfindungsbeträgen jeder Einzelne zum Ausgleich seiner Nachteile bedacht wird. Dieses Verhalten der Geschäftsleitung spottet jeder Beschreibung.“ Das Einigungsstellenverfahren wird am 19. Juli fortgesetzt.
Diese Situation „hat uns 65 langjährigen Mitarbeitern einen gehörigen Schrecken eingejagt und verwundert, wo doch noch 2011 Gewinne durch uns erwirtschaftet worden sind“, heißt es weiter in dem offenen Brief. „Was in den letzten vier Monaten der Ungewissheit und Anspannung an Nachrichten auf uns einprasselte, kann nur wütend machen.“
Viele Mitarbeiter seien über 50 Jahre alt sind und hätten deshalb auf dem Arbeitsmarkt große Schwierigkeiten. „Noch vor kurzem konnten wir in einem WAZ-Interview lesen, wie fantastisch es für den Konzern läuft. Hunderte Millionen Euro Umsatz, erfolgreiche Platzierung einer Anleihe über 23 Millionen Euro und mehr als 7000 Angestellte im Konzern weltweit. Auf der anderen Seite wir altgedienten Mitarbeiter.“ In den letzten Jahren hätten die Versand-Beschäftigten durch Sanierungstarifverträge, Verzicht auf Weihnachtsgeld und unbezahlte Überstunden erhebliche Zugeständnisse zum Erhalt des Standortes gemacht. Jetzt sollen die Mitarbeiter „zu unsozialen Bedingungen abserviert werden“.
Die Beschäftigten fordern in dem offenen Brief, den Verlust des Arbeitsplatzes „wenigstens finanziell im vernünftigen Maße abzugelten. Gegebenenfalls gibt es auch eine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung in der Miro Radici Hometextile GmbH in Bergkamen“.
Die Miro Radici AG heißt seit Juni 2012 „Steilmann Holding AG“. Vorstandsvorsitzender ist Dr. Michele Puller, sein Kompagnon ist Massimo Giazzi. 2006 hatte der Radici-Konzern das defizitäre Steilmann-Unternehmen übernommen. Die Firma Solutions Modelogistik im Gewerbegebiet West (ehemals Steilmann-Zentralversand) – letzter Rest des Steilmann-Imperiums in Wattenscheid – hatte Radici nach dem Outsourcen an den Logwin-Konzern erst im Februar 2012 wieder zurückgekauft.