Wattenscheid. .
Politik-Unterricht hautnah: 120 Zehntklässler der Pestalozzi-Realschule befragten gestern den Generaldelegierten Palästinas in der Bundesrepublik, Salah Abdel Shafi, knapp zwei Stunden lang zur Situation Palästinas – mit besonderem Blick auf Israel. Dabei spielten die Bemühungen Palästinas, vollwertiges Mitglied bei den Vereinten Nationen (UN) zu werden, eine Rolle. Der Kontakt war über Sascha Hellen und das Projekt „Herausforderung Zukunft“ zustande gekommen.
Haben Sie als Kind etwas vom Nahost-Konflikt mitbekommen?
Salah Abdel Shafi: Ich bin 1962 geboren und kenne Zeit meines Lebens nichts anderes als Okkupation durch Israel. Ich hätte nur damals nie gedacht, dass auch meine Kinder unter der Besetzung heranwachsen müssen. Alle sind durch und durch polarisiert durch die Politik. Dabei wollen die meisten nur friedlich mit den Nachbarn zusammenleben. Und das sind nun einmal die Israelis.
Was gab den Ausschlag für Ihre berufliche Laufbahn?
Ich bin kein Berufsdiplomat. Ich habe bis 2005 nichtstaatlich international gearbeitet. Dann hat die Regierung beschlossen, die Diplomatie auszubauen und mir die Möglichkeit angeboten.
Durch die PLO haben Sie ein Studien-Stipendium in der DDR erhalten. Sie haben in Palästina eine Mauer. Wie haben Sie den Mauerfall in Berlin erlebt?
Selbst einen Tag vorher hat es damals noch niemand geglaubt. Aber es passieren in der Politik immer Wunder. Alles kann sich ändern, aber nichts fällt vom Himmel. Sehen wir die jüngste Entwicklung in den arabischen Ländern. Sie wollen nur Demokratie. Und das ist in Palästina ebenso.
Gibt die Mauer zwischen Israel und Palästina nicht auch Sicherheit?
Sicherheit ist wichtig. Und wir verstehen, dass Israel alles unternimmt, um seine Bevölkerung zu schützen. Aber die Mauer steht auf unserem Territorium, nicht auf israelischem. Sie ist so gebaut, dass palästinensische Familien getrennt werden. Diese Mauer sollte, wenn überhaupt, auf israelischem Gebiet stehen.
Glauben Sie, in Palästina ist politisch etwas zu ändern?
Ja, sonst wäre ich nicht hier. Es muss irgendwann der Konflikt gelöst werden, und zwar friedlich. Die Menschen sind diejenigen, die den Preis für den Krieg bezahlen.
Die Freiheitsbestrebungen der arabischen Staaten – sind das auch Bestrebungen Palästinas?
Diese Bestrebungen haben mit Palästina nicht viel zu tun. Obwohl die Völker emotional mit Palästina verbunden sind. Wenn aber eine Entwicklung in Richtung stabiler Demokratie geht, werden die Wünsche des eigenen Volkes nicht außer Acht gelassen. Und das ist die Chance für Israel, die Besetzung aufzuheben. Genau deshalb, weil arabische Länder die Demokratie anstreben.
Ägypten hat die Grenzwege zu Gaza und zur West-Bank geöffnet. Nutzt das Palästina?
Die Öffnung nach Ägypten verbessert die humanitäre Situation, nicht aber den Warenverkehr. Der läuft über Israel.
Wie schätzen Sie die Stärke der Hamas ein?
Extreme politische Kräfte profitieren hier von der Situation. Die Hamas hat Israel quasi in die Hände gespielt. Unser Ziel ist die Demokratie.
Erfüllt Palästina die Anforderungen, ein souveräner Staat zu sein?
Wir haben alle Zutaten dazu, vollwertiges Mitglied bei der UNO zu werden.
Welche Bedeutung wird Jerusalem künftig für Palästina haben?
Ost-Jerusalem soll unsere Hauptstadt sein. Es macht keinen Sinn, über Religion und Geschichte zu streiten. Man muss pragmatisch denken. Deshalb muss Jerusalem geteilt werden und Hauptstadt für Israel und Palästina sein.
Wie will Palästina wirtschaftlich zurechtkommen?
Wenn Palästina unabhängig ist, sehen wir es als Riesenpotenzial, mit Israel zusammen zu arbeiten. Etwa im Tourismus. Doch erstmal brauchen wir den Frieden, dann wird die Wirtschaft boomen.
Und was stünde in der Verfassung Palästinas?
Jetzt haben wir eine Übergangsverfassung. Aber in der neuen würde die Würde des Menschen und die Gleichberechtigung von Mann und Frau festgeschrieben. Wir haben alle Voraussetzungen, um aus Palästina einen demokratischen und modernen Staat zu machen.