Wattenscheid. Was der Verteidigungsminister „gutt“ findet, bereitet den Sozialen Trägern in Deutschland Kopfschmerzen. Fällt der Wehrdienst, brechen gleichzeitig auf einen Schlag auch die rund 40 000 Zivildienstleistenden weg.

„Fakt ist, wir wissen heute nicht, was am 1. April sein wird. Das ist für alle Betroffenen eine unhaltbare Situation und am Rande des Ertragbaren“, ist Thorsten Junker, Chef des Roten Kreuzes in der Hellwegstadt, ratlos. Er befürchtet einen Schnellschuss der Politik, dessen Folgen nicht absehbar seien und fragt: „Was wird denn aus den Behinderten, wenn die Zivis sie nicht mehr fahren?“ Eine Antwort darauf könnte der Einsatz von Dienstleistenden im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) sein.

Der Eppendorfer Kevin Bieschke ist einer von jährlich zwei FSJ’lern, die beim DRK in Wattenscheid etwas für die Gesellschaft tun möchten. Durch seinen Bruder fand er Kontakt zur Einrichtung, mittlerweile hat er richtig Spaß an den zu bewältigenden Aufgaben. „Ich bin eingesetzt im Mobilen Sozialen Hilfsdienst und als Ersthelfer. Ich lerne und lehre hier also, das ist klasse“, schildert der 20-Jährige sein soziales Interesse.

Auf 39 Wochenstunden beläuft sich seine Arbeitszeit. Sein Tag startet für gewöhnlich zwischen acht und neun Uhr. Dann bringt er die ersten Senioren zur Tagespflege. In der Mittagszeit können Putztermine und das Austeilen von „Essen auf Rädern“ variieren. Nach dem Abholen der älteren Menschen aus der Tagespflege hat er je nachdem zwischen 16 und 17 Uhr Feierabend. Dafür bekommt er im Monat 370 Euro, das Kindergeld bleibt als weitere Einkunft erhalten. Doch darum geht es Kevin Bieschke nicht: „Wenn die Senioren bei uns anrufen und sich bedanken oder explizit mich anfordern, dann ist das ein tolles Gefühl“, sagt der FSJ’ler, der in seiner Freizeit auch eine F-Jugendmannschaft des Fußball-Clubs Neuruhrort trainiert.

Aus diesem Grund sieht er das Jahr beim DRK auch nicht als verschenkte Zeit an. Neben der Hilfe für seine Mitmenschen mache sich das FSJ ebenso gut in seinem Lebenslauf. „Es ist doch so: Die Berufswahl wird immer schwieriger. Da kann man sich nach dem Abi ruhig mal 365 Tage Zeit nehmen und darüber nachdenken, wie es weiter gehen soll“, sieht sich Kevin auf dem richtigen Weg, den auch seine Eltern voll und ganz mittragen. „Ich hätte ja auch andere Sachen machen können. Aber beim DRK verdiene ich ein wenig, kann der Gesellschaft etwas zurückgeben und das Wichtigste, durch den Umgang mit kranken Personen fühle ich mich unheimlich gereift“, erläutert Kevin Bieschke seine Gründe, warum das FSJ für ihn so gewinnbringend ist und auch für das Wirtschaftsstudium, das er anstrebt, von Nutzen sein könnte.

Im Moment steht er mit seiner Begeisterung für das FSJ jedoch ziemlich allein da. Lediglich eine Handvoll seiner Schulkollegen hat sich ebenso dazu entschieden. „Davon mal abgesehen, haben wir für unseren Kreisverband errechnet, dass der komplette Austausch von Zivis zu FSJ’lern 40 000 Euro kosten würde“, sagt Thorsten Junker, und hätte auch bei einer solchen Lösung immer noch Kopfschmerzen.