Wattenscheid. .
Grimms Märchen gehörten „gestern“ zur Standardlektüre Heranwachsender und waren allgemein vertraut. Doch was die Jugend von „heute“ angeht, scheint es eine solche Vertrautheit nicht mehr zu geben.
Was liegt also näher, als über moderne Märchen einen neuen Zugang zu gewinnen? Dieser Frage stellten sich der Höntroper Pädagoge Dr. Artur Nickel und sein Mitherausgeber der 2005 gestarteten Essener Anthologien, Andreas Klink.
Nun bekamen Kinder und Jugendliche aus dem Revier im Rahmen der Literaturreihe die Chance, über Märchenerzählungen Einblicke in ihr Leben zu gewähren. „Und wenn man bei der Premierenfeier ist, dann ist das herrlich, immer wieder neue Jugendliche zu sehen, die sich für das Schreiben begeistern“, sagt Artur Nickel.
„Märchenhaftes zwischen Emscher und Ruhr – Kinder und Jugendliche erzählen“ ist der Titel des neuen Buches. Über 300 „Nachwuchsschriftsteller“ aus dem Ruhrgebiet zwischen zehn und zwanzig Jahren haben sich mit eingereichten Werken an der sechsten Auflage des Projektes beteiligt, eine Auswahl ist nun getroffen und veröffentlicht.
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Nickel hebt hervor, dass auch viele Autoren mit Migrationshintergrund Texte in spanischer, türkischer, oder englischer Sprache eingereicht haben. Sie zeigen, dass in anderen Kulturen Märchen noch eine wesentlich bedeutendere Rolle in der Gesellschaft einnehmen. „Die anderen Texte sind da doch oftmals ironischer Natur“, stellte er bei der Auswahl fest.
Insgesamt freut es den 55-jährigen Gesamtschullehrer, dass über dieses Buch die Kulturen nicht nur zusammenwachsen, sondern sich gleichzeitig neue entwickeln. „Die jugendlichen Autoren verbinden die Märchentradition ihrer orientalischen Herkunft mit Erlebnissen zwischen Emscher und Ruhr, woraus sich etwas Eigenes entwickelt. Das ist das Spannende an diesem Projekt“, erklärt Nickel seine Faszination für die Essener Anthologien.
Auch neue Lebensphilosophien seien über die Jahre entstanden. So kann Nickel von einer schiitischen Autorin berichten, die über ein Gefühl der Ausgrenzung zu einem Gefühl des „überall zu Hause Seins“ in ihren Texten findet. Artur Nickel: „Das ist natürlich auch toll, wie sich die Entwicklung der jungen Menschen in den Beiträgen widerspiegelt. Gerade die Märchen bieten dafür Gelegenheit. In ihnen kann jeder seine Gefühle zum Ausdruck bringen, oder auch einen gezielten Adressatenkreis ansprechen.“
Wie es weitergehen soll mit der Buchreihe, wissen die Initiatoren zur Zeit noch nicht. „Aber wir werden sicherlich aus diesem Band wieder einige Themenideen für die Zukunft ziehen“, ist sich Artur Nickel sicher und blickt erst einmal zufrieden auf das bisher Geleistete zurück.