Wattenscheid.

. „Höntrop, 4. Oktober: Das neuerbaute Bahnhofs-Gebäude wurde am Sonntag früh um 5 Uhr dem Verkehr übergeben. Eine besondere Feier war mit der Eröffnung nicht verbunden.“

Im Jahre 1910 ist den Höntropern der Bahnhof keine Feier wert. So könnte man meinen, dass die Eisenbahn für Höntrop ohne Wert ist. Ist sie aber nicht. 1862 wird die erste Eisenbahnlinie durch das Stadtgebiet eröffnet – durch Höntrop. Allerdings gibt es hier zunächst keinen Haltepunkt. Die Züge rauschen zwischen Bochum und Steele durch.

Gemeindevertretung gibt Geld

1885 beschließt die Höntroper Gemeindevertretung, den Bau einer Haltestelle mit immerhin 10 000 Mark zu subventionieren. Denn die Eisenbahn hat kein Interesse am Bau, ist aber bereit, in Höntrop zu halten. Dreimal täglich je Fahrtrichtung halten die Züge in der noch weitgehend bäuerlich geprägten Gemeinde.

Die Haltestelle muss man sich in etwa wie eine Straßenbahnhaltestelleninsel heutiger Bauart vorstellen: Ein Bahnsteig östlich der Höntroper Straße, ein Bahnsteig westlich. Beide Bahnsteige haben eine kleine Wartehalle. 18 weitere Züge rauschen ohne Halt durch Höntrop. Die „Billet-Ausgabe“ ist in einer Gastwirtschaft gegenüber.

Die Eröffnung der Haltestelle wird am 1. Juni 1886 mit einem Fest gefeiert. Zehn Jahre später soll dann ein Bahnhof gebaut werden. Dann passiert aber erst einmal nichts. Erst im Mai 1909 beginnen die Bauarbeiten für den neuen Bahnhof. „Es wird auch wirklich Zeit, daß die alten Holzbaracken, die dem reisenden Publikum als Warte- und Aufenthaltsraum dienen, von der Bildfläche für immer verschwinden“ freut sich die Zeitung bei Baubeginn. Immerhin halten nun alle Züge in Höntrop – ausgenommen drei.

Für den Bau muss der westliche Bahnsteig abgerissen werden. An seiner Stelle wird das neue Empfangsgebäude errichtet. Das zweistöckige Gebäude besitzt ein Stationsdienstzimmer, hier bekommt man die Fahrkarten. Hinter der Sperre befinden sich zwei Wartesäle. Einer ist für die 1. und 2. Wagenklasse, einer für die 3. Und 4. die Bahnsteige erreicht der Fahrgast durch einen Personentunnel, von dem die Treppen zu den Bahnsteigen führen.

Fahrkarten in der Gastwirtschaft

„Im Vorflur des neuen Empfangsgebäudes ist auch ein zierlich-moderner Fahrkartenautomat - vorläufig jedoch nicht benutzbar - aufgestellt, der gegen Einwurf eines 10-Pfennigstücks demnächst eine Fahrkarte 4. Klasse von Höntrop nach Bochum-Süd verabfolgen wird.“ Moderne Technik des Jahres 1910.

Zeitgleich erhält auch der Wattenscheider Bahnhof eine Neuerung: Zur Straßenseite hin wird eine große Uhr angebracht. „Diese Neuerung dürfte allseitigen Beifall finden“ schreibt die WAZ.

Bei so viel Freude über die Bahn gibt es aber auch einen Wermutstropfen. Die Wattenscheider beklagen, dass es an den drei Bahnstationen immer noch keinen Droschkenverkehr gibt. Ein Leserbriefschreiber dazu: „Man erwidert wohl, man bedürfe hier die Droschken nicht mehr; man werde kaum mit Droschken fahren, wenn man billiger die Elektrische benutzen könne. Dem ist natürlich durchaus nicht so! Einerseits wünschen vermögende Leute gelegentlich die Elektrische nicht zu benutzen, andererseits fährt die Straßenbahn längst nicht in jede Straße und Gegend hinein, zum Dritten manche kränkliche Personen und schwächliche Damen wohl in Droschken, aber nur mit Beschwerden oder gar nicht in der Straßenbahn fahren.“