Wattenscheid. .
Über eine Studie der Ruhr-Uni über Palliativmedizin sprach Redakteurin Annette Wenzig mit Dr. Jürgen Thomas, Mitglied im Palliativnetz Bochum und Vorstand des Hospizvereins Wattenscheid.
In der Studie heißt es, dass Palliativmediziner ihre Patienten nicht immer darüber aufklären,dass sich durch eine Begrenzung medizinischer Maßnahmen ihr Leben verkürzt und der vorzeitige Tod oftmals billigend in Kauf genommen wird. Was war Ihr erster Gedanke, als Sie davon hörten?
Dr. Thomas: Das ist ganz schlimm für die Patienten. Betroffene müssen sich darauf verlassen können, dass der Palliativmediziner nicht als Todesengel kommt. Eine der Grundfesten der Palliativmedizin ist, dass Ärzte nur aufgrund des informierten Einverständnisses des Patienten tätig werden. Es ist schockierend, dass Mediziner ohne dieses Einverständnis gehandelt haben. Was mich nicht so aufregt, ist die Aussage der Studie, dass in der Palliativmedizin oft der Eintritt des Todes billigend in Kauf genommen wird.
Warum ist das so?
Die große alte Dame der Palliativmedizin, Cicely Saunders, hat den Satz geprägt „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben“. Da steckt drin, dass es nicht darum geht, das Leiden zu verlängern, sondern alles zu tun, damit das Lebens lebenswert bleibt. Die Palliativmedizin kämpft nicht für Quantität sondern für Qualität.
Welche Rolle spielt der Wille des Patienten?
Er wurde durch die Gesetzgebung gestärkt. Es ist aber wichtig, dass der Patient seinen Willen schriftlich in Form einer Patientenverfügung und einer Vorsorgevollmacht niederlegt. Das hilft Arzt, Patienten und den Angehörigen, denen dadurch eine schwere Entscheidung erspart bleibt.
Befürchten Sie, dass bei Patienten durch die Studie unnötige Ängste geweckt werden?
Was ich am meisten befürchte ist, dass ärztliche Kollegen in ihren Vorurteilen gegenüber der Palliativmedizin bestärkt werden. Die Resonanz der Palliativ-Patienten in Bochum ist überwältigend gut, aber es gibt Kollegen, die jetzt sagen: Ich hab’s immer schon gewusst. Und das finde ich schade. Ich sehe allerdings auch einen positiven Aspekt: Die Studie zeigt uns, was man verbessern kann. Nämlich dass die Palliativmedizin nur im informierten Einverständnis mit dem Patienten handelt.