Wattenscheid. .
Doch, es gibt sogar noch Kleinode unter den Geschäften in der viel gescholtenen Wattenscheider Innenstadt. Nur: Man muss sie suchen – zwischen Billigläden und Leerstand. Wir wollten wissen: Wie fühlen sich die Geschäftsinhaber in dieser Umgebung?
Direkt gegenüber vom geschlossenen Café Lindo verkauft Ina Schlömann ausgefallene Geschenkartikel und Wohnaccessoires. „Dass das Lindo zu hat, ist schade – und vor allem fürchte ich, das wird wieder ein Leerstand auf lange Zeit“, sagt sie. „Ich denke, es wird schwer, diese Ecke zu vermieten. Die einzigen, die Interesse haben werden, sind wahrscheinlich billig, billig – genau das, was wir hier nicht mehr wollen.“
Wird der Geschäftsfrau angesichts zunehmender Leerstände nicht angst und bange? „Wir sind jetzt schon zehn Jahre hier und damit alteingesessen“, sagt Ina Schlömann. „Der Vorteil ist: Wir haben ein sehr treues Publikum und sind nicht so von der Laufkundschaft abhängig. Was mir allerdings Angst macht, ist das Stadtbild.“ Die Ursache hat Ina Schlömann schnell ausgemacht: die hohen Mieten. „Die Top-Lagen in Bochum sind teilweise günstiger als hier.“
Dennoch wirbt die Geschäftsfrau für die Hellwegstadt: „Wattenscheid hätte eine reelle Chance, wenn wir hier wieder mehr kleine, feine Läden kriegen würden. Einen Käseladen, einen Fischladen . . . Man braucht sicher erst einmal Stehvermögen, aber ich denke, es würde funktionieren – denn wenn man die Wattenscheider erst einmal gewonnen hat, sind sie ganz tolle Kunden.“
Sabine Schmeichel ist gerade dabei, Stehvermögen zu beweisen: Seit Oktober ist sie mit ihrem Lederwarengeschäft „Schmeichelei“ am Rosenviertel vertreten, hat sich bewusst für den Standort Wattenscheid entschieden. „Ich find’s schon traurig“, kommentiert sie das Nebeneinander von billig und Leerstand, „vor allem, wenn man bedenkt, was es hier früher alles gab“. Von ihren Kunden höre sie, was diese vergeblich suchen: einfache Dinge wie Socken oder Unterwäsche.
„Es sind die Mieten“, ist auch Sabine Schmeichel überzeugt. „Ich könnte mir ein Geschäft an der Oststraße gar nicht leisten – und meist muss man da sogar noch auf eigene Kosten renovieren. Es ist mir ein Rätsel, wie kleine Läden das schaffen.“ Das führe dazu, dass es sich für junge Leute gar nicht mehr lohne, nach Wattenscheid zu kommen, „und für die Älteren fehlt alles hier“.
Mitten in der Fußgängerzone liegt das Juweliergeschäft „Goldmarie“ – zwischen immer mehr Billigläden. „Das ist eine Entwicklung, die wir mit Besorgnis sehen“, sagt Felizitas Dietzel, eine der beiden Inhaberinnen. Den Buhmann hat auch sie schnell ausgemacht: „Die Vermieter versuchen hier, Räume zu Preisen zu vermieten, wie man sie in Bochum-City hat. Das kann ja nicht funktionieren.“
Dabei, findet die Juwelierin, könnte Wattenscheid in Sachen Attraktivität viel mehr tun. „Es ist auch traurig, dass die Händler hier alle paar Monate wechseln – das gibt so einen Billig-Touch.“ Der Lösungsvorschlag von Felizitas Dietzel: „Mit den Mietforderungen zurück gehen, besseren Handel hier reinholen.“
Ihre Lage „ein Stück außerhalb der Fußgängerzone“ empfinden Annette und Holger Blank vom gleichnamigen Reformhaus fast schon als Vorteil. „Leerstand auf einer Einkaufsmeile ist immer ne Bremse für die Kunden, da gehen sie einfach nicht weiter“, sagt Holger Blank.
Vor acht Jahren haben die Blanks ihr Reformhaus eröffnet, seinerzeit noch im Gertrudiscenter: „Damals lag die Kaufkraft hier noch im Bundesdurchschnitt, aber je weniger attraktive Geschäfte man hat, desto weniger kaufen die Leute auch.“ Leicht sei es nicht in Wattenscheid, aber es gebe einen großen Vorteil: „Die Kunden hier, die sind treu wie Gold.“