Wattenscheid. Das traditionsreiche Kapitel Steilmann endet in Wattenscheid früher als gedacht: Der ursprünglich für den Herbst avisierte Umzug wird bereits in diesem Monat erfolgen. Rund 120 Mitarbeiter müssen dann den Weg ins 63 Kilometer entfernte Bergkamen-Rünthe antreten. Und an der Feldstraße, seit über fünf Jahrzehnten Steilmann-Sitz, wird vorerst Stille einkehren.

„Wir sind derzeit im Feinschliff. Aber wir gehen davon aus, dass wir noch im Juni umziehen werden und dort ab 1. Juli unsere Arbeit aufnehmen können.” Geschäftsführer Michael Schnaase steckt mitten in Umzugsvorbereitungen. Der Neubau in Bergkamen ist (fast) fertig gestellt. Rund drei Millionen Euro kostet der Umzug inklusive Neubau. Steilmann gehört zum ebenfalls dort residierenden Konzern Miro Radici, der die vor der Insolvenz stehende Textilfirma 2006 gekauft hatte.

Nun soll der Neuerwerb auch räumlich in den Konzern integriert werden. Kurze Wege und Synergien, so hatte Massimo Giazzi, Vorstandsmitglied bei Miro Radici, im Vorfeld die Gründe für die Verlegung des Firmensitzes erklärt. Zudem sei die Firma Steilmann an der Feldstraße nur eingemietet gewesen; in Bergkamen beziehe man eigene Räume.

„Der Umzug selbst ist von einem sachkundigen Unternehmen begleitet worden und geht entsprechend reibungslos über die Bühne“, sagt Betriebsratsvorsitzende Annegret Pose. Der Umzugstross reicht von der Verwaltung über den Vertrieb bis zum Modedesign; „nach wie vor gibt es rund 30 Ausbildungsplätze“. Produziert wird schon seit geraumer Zeit im Ausland.

Noch vor sieben Jahren hatte Steilmann mehr als 1000 Mitarbeiter beschäftigt. Durch mehrere schmerzhafte Entlassungswellen, laut Firmenspitze eine notwendige „Gesundschrumpfung“, blieb aber nur ein Teil übrig.

Die Konzernleitung hatte erklärt, dass die zuletzt erfolgte Personalreduzierung vor einem Jahr, die ebenfalls viele Klagen vor dem Arbeitsgericht nach sich zog, nichts mit dem damals im gleichen Atemzug verkündeten Umzug nach Bergkamen zu tun habe, sondern einer nötigen Neuausrichtung am Markt geschuldet sei. Die Miro Radici-Gruppe, der viele Firmen aus der Modebranche angehören, wolle nun Steilmann wieder in die schwarzen Zahlen bringen – und vielleicht auch langsam wachsen lassen. Im Neubau ist Platz für 200 Beschäftigte.

Die angemieteten Räumlichkeiten an der Feldstraße gehören der Klaus Steilmann Immobilien GmbH mit Sitz an der Ückendorfer Straße. Deren Prokurist Christoph Orzol erklärt zur Nachfolge-Nutzung, dass es schon „einige Interessenten“ gibt. Er ist zuversichtlich, hohe Leerstände in dem großen Firmenkomplex vermeiden zu können. Insgesamt gibt es dort rund 6500 qm Bürofläche und fast 5000 qm „Funktionsfläche“ (ehemals Lager, Produktion etc.), die auch als Teilflächen vermietet werden könnten. Auf dem Gelände seien bereits neun kleinere Firmen, u.a. aus dem Bereich Forschung, Marketing und Design, angesiedelt worden. Für die Firma Logwin an der Burgstraße wurde laut Orzol der Mietvertrag verlängert.

Dem stark frequentierten Steilmann-Fabrikverkauf an der Berliner Straße will die Stadt bekanntlich einen Riegel vorschieben. Denn die Vorgaben (u.a. Mindestmitarbeiterzahl und Sitz vor Ort), an die die vor sieben Jahren erteilte Sondergenehmigung für diesen Standort geknüpft war, seien nicht mehr erfüllt.