Wattenscheid. .

Die Diagnose traf sie wie ein Keulenschlag: Multiple Sklerose. Selbstmitleid ist allerdings nicht der Weg von Claudia Meßler, damit umzugehen. Sie arbeitet Vollzeit in einem Krankenhaus und versucht, nicht bei jedem kleinen Symptom panisch zu werden.

Angefangen hatte es 1996 ganz harmlos mit einem eingeschlafenen Bein. „Aber das tat ja nicht weh“, erklärt Claudia Meßler, warum sie sich erst keine Gedanken gemacht hat. Doch die Beschwerden ließen nicht nach: „Bald konnte ich mich blutig kratzen, ohne etwas zu spüren.“

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Die Diagnose traf sie kurz darauf wie ein Keulenschlag: Multiple Sklerose. „Im ersten Moment habe ich gedacht: Innerhalb von fünf Jahren sitzt du im Rollstuhl.“ 23 Jahre war die gelernte Hotelfachfrau damals, hatte gerade die erste Stelle in ihrem Traumberuf angetreten. „Das ist das Ende der Welt“, haderte sie mit ihrem Schicksal. „Es war wie für andere Menschen eine Krebs-Diagnose.“

Schnell merkte Claudia Meßler aber: Nach jedem Krankheitsschub gingen die Symptome vollständig zurück. „Ich hatte mich eigentlich damit abgefunden, dass es stetig bergab geht, aber in der Kur habe ich Leute kennen gelernt, die schon im Rollstuhl saßen und jetzt wieder laufen.“ Eines wollte Claudia Meßler auf gar keinen Fall: sich selbst bemitleiden. „Man muss da auch ein bisschen gegen ankämpfen“, sagt sie. „Den ganzen Tag rumsitzen und mir selber Leid tun – das ist nicht meins.“

Ihren Traumjob musste sie dennoch aufgeben, weil ihr die Ärzte geraten hatten, aus dem Stress-Beruf auszusteigen. Doch die Hände in den Schoß legen, das wollte die 37-Jährige auf keinen Fall. „Wenn ich den ganzen Tag zu Hause sitze und darüber nachdenke, wie schlecht es mir geht, dann geht’s mir am Ende wirklich schlecht“, sagt sie resolut. So war sie damals froh, noch nicht genug in die Rentenkasse eingezahlt zu haben: „Zu der Zeit war’s so, dass mit der Diagnose MS jeder sofort verrentet wurde – aber ruhig sitzen ist gar nicht mein Ding.“

Schwierig gestaltete sich allerdings die Jobsuche nach der Umschulung zur Personalfach-Kauffrau: „Ich habe in meinen Vorstellungsgesprächen immer sofort gesagt, dass ich MS habe – und gemerkt, wie viele Vorurteile es gibt. Was mich am meisten geärgert hat: Dass alle denken, die fehlt ständig.“ Mittlerweile arbeitet Claudia Meßler im Essener Elisabeth-Krankenhaus: in Vollzeit auf einer unbefristeten Stelle. „Ich muss zwar alle vier Wochen freitags früher gehen, weil ich zur Infusion muss, aber die Zeit arbeite ich vor“, betont sie.

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Beeinträchtigt fühlt sich die 37-Jährige im Alltag nur selten. „Es gibt so Kleinigkeiten, dass es zum Beispiel schwierig für mich ist, zu Fuß in den dritten Stock zu gehen“, sagt Claudia Meßler. „Aber dann nehme ich halt den Aufzug. Ok, es kommt auch mal vor, dass ich abends um acht total müde bin – aber dann gehe ich eben ins Bett.“ Oft versucht sie, ihre Krankheit zu verstecken: „Bevor man einmal um Hilfe bittet, versucht man es tausend Mal selbst“, gibt sie zu. Wie damals, als sie mitten in der Stadt hinfiel – und alle Leute vorbei gingen: „Die haben vielleicht gedacht, ich wäre besoffen.“

Claudia Meßler versucht mittlerweile, sich nicht zu sehr mit ihrer Krankheit zu beschäftigen. „Manche MS-Kranken werden bei den kleinsten Anzeichen eines Schubes panisch. Das versuche ich zu vermeiden. Deshalb bin ich auch in keiner Selbsthilfegruppe.“ Seit zwei Jahren hat sie – auch dank neuer Medikamente – keinen neuen Schub mehr gehabt und blickt zuversichtlich nach vorne: „Ich werd’s noch erleben, dass man herausfindet, warum die Krankheit den einen schlimmer trifft als den anderen.“