Wattenscheid. Die Männer werden den Frauen untreu – aber nicht im Karneval, sondern im echten Leben. Durch den Krieg sind viele Männer vom Flirt- und Heiratsmarkt verschwunden. Und die verbliebenen Männer werden vom zarten Geschlecht umgarnt.

Der Frauenüberschuss führt zur ehelichen und außerehelichen Untreue, und damit auch zu mehr Scheidungen. Das stellen die Statistiker der Stadt im Februar 1950 fest. Die Zahlen: Vor dem Krieg ließen sich 30 bis 40 Paare pro Jahr scheiden, 90 sind es im Jahr 1949.

Die Scheidungsrichter ermitteln seinerzeit noch die Schuldfrage. Unmittelbar nach dem Krieg sind die Frauen überwiegend „schuldig”, weil sie in Abwesenheit der Angetrauten mit der ehelichen Treue ihre Probleme hatten. Zu Beginn des Wirtschaftswunders sind nun überwiegend die Männer schuldig. „Es ist also offenbar so, dass heute der Frauenüberschuss den Mann leichter zur ehelichen Untreue verleitet, während andererseits die Frau nicht selten die Flucht ergreift, weil die Sensibilität der weiblichen Psyche die Lebensverhältnisse oder die Charakteranlagen des Mannes nicht erträgt”, stellt die WAZ fest. Die sensiblen Frauen sind eben doch das schwache Geschlecht.

Die Stadtbücherei, 1950 noch „Volksbücherei” genannt, freut sich über steigende Leserzahlen, aber auch über die Qualität der ausgeliehenen Bücher. Obwohl die Wattenscheider Leser zu einem nicht kleinen Teil Liebesromane bevorzugen. Auch die Bücherei blickt in die Vorkriegszeit. 1939 gab es 7500 Bände. 1950 sind es 4500. Abnutzung und die Entnazifizierung der verbliebenen Bücher sind der Grund für den Schwund. „An Stelle der früher stark gefragten Kriminal- und Abenteuerromane wurden im laufenden Jahr mehr Gesellschafts-, historische und Liebesromane sowie belehrende Werke (unter diesen auch rein wissenschaftliche) gelesen”, so das Fazit.

Die Wattenscheider sind kinofaul, stellen die Statistiker fest. Sie waren 1949 nur 12,9 mal im Kino, in anderen Städten ist der Besucherandrang viel größer. Dabei gibt es in der Hellwegstadt fünf Kinos mit insgesamt 2349 Plätzen. Das „Alhambra” und „Apollo” erfreuen ihre Besucher in der Oststraße. In Günnigfeld flimmern die Streifen über die Leinwand des „Gloria”-Theaters, in Höntrop erfreut das „Central-Theater” die Cineasten, in Westenfeld ist es die „Lichtburg”.

Mitte Februar bekommt das Straßenverkehrsamt ein neues Domizil in der ehemaligen Schule in der Swidbertstraße. Zuvor war die Dienststelle in der Nikolaistraße untergebracht. Für die Verwaltung der wenigen Fahrzeuge reichen zwei Büroräume. Ein weiteres Büro wird für die „Benzinausgabestelle” benötigt - denn der Kraftstoff ist nach wie vor bewirtschaftet. Die Kriegsfolgen sind immer noch nicht überwunden. Dies wird an allen Ecken und Kanten deutlich. „Enttrümmerung” heißt das Zauberwort, die Stadt forciert dies ab Februar 1950.