Wattenscheid. Die karnevalistischen Vorbereitungen liefen im Januar 1950 auf Hochtouren. Erstmals waren die Vereine darum bemüht, einen großen, zentralen Karnevalsumzug in der Wattenscheider Innenstadt zu veranstalten.

Sowohl die Gü-Ka-Ge – die ab 1948 jedes Jahr einen Umzug in Günnigfeld organisierte – als auch die Höntroper Gänsereiter waren um Eintracht bemüht und signalisierten ein kooperatives Miteinander bei der Durchführung eines gemeinsamen Karnevalsumzuges in der Innenstadt. Angesichts dessen, dass der Rosenmontag kein Feier- sondern ein Arbeitstag war und viele Bürger nicht am Zug teilnehmen konnten, sahen es die Veranstalter als nicht durchführbar an, an diesem Tag einen Zug frühzeitig von Günnigfeld aus durch das Stadtgebiet bis nach Höntrop zu führen. Zudem hatten die Höntroper Gänsereiter dort bereits ihren Umzug und keiner der Vereine wolle einen Keil dazwischen treiben.

Motto: Wattenscheid gibt einen Streifen an

Daher beschloss man, auf den Sonntag auszuweichen und an diesem Tag gemeinsam einen großen Umzug zu organisieren, der den Auftakt für das karnevalistische Treiben in Wattenscheid darstellen sollte. Der Rosenmontag bliebe weiterhin den Gänsereitern in Höntrop und Sevinghausen vorbehalten.

Mit frohen und bunten Ideen sollte ein origineller Karnevalsumzug geboren werden. Vorrangig sei die aktive Einbindung und lebhafte Teilnahme der Bevölkerung, die von der Karnevalsstimmung erfasst und mitgerissen werden sollten. Unter dem Motto „Wattenscheid gibt einen Streifen an!” wären allen Betreibern eines Wagens und auch den Jecken am Straßenrand genügend Spielraum für eine fantasievolle Verkleidung und Ausschmückung gegeben. Stimmung in allen Gassen, die vom Gesangverein und von Schlagern musikalisch begleitet und bereichert wurde. Und so formierten sich am Sonntag, 19. Februar, 27 Wagen, elf Fußgruppen und eine Reitertruppe. Um 14 Uhr setzten sich die Günnigfelder in Bewegung und traten ihre Fahrt gen Innenstadt an. Die Einordnung der Wagen, Gruppen und der Höntroper Gänsereiter erfolgte an der Heinrich- und Thingstraße ab 14.30 Uhr. Von da nahm der närrische Weg seinen Lauf: Park-, Voede-, Freiheit-, Gertrudisstraße, Gertrudisplatz, Lyren-, West-, Ost-, Hoch- und Bochumer Straße. An der Zeche Centrum wendete der Zug und zog sich über die Bochumer- und Graf-Adolf-Straße zurück, um sich auf der Westenfelder Straße aufzulösen. Die Schlüsselübergabe am Rathaus fand derweil um 15 Uhr statt.

Die Stimmung war kaum in Worte zu fassen. Prinz Alfred I. und Prinzessin Irmgard I. setzten dem Treiben die Narrenkrone auf. Die Menschen drängten sich verkleidet und in zivil an die Straßen, standen auf Mauern und an den Fenstern. Eine Völkerwanderung setzte ein, so dass nur noch ein schmaler Weg für die Wagen blieb. Wenn die Menge dem Treiben auch erst zögerlich und skeptisch gegenüberstand, so wurde sie spätestens beim Anblick der Fahnen, Girlanden, Luftschlangen und des Konfettis mitgerissen. Prunkvoll ausgestattete Wagen, laute Musik, Fanfaren, lustige Verse, Kamelle, zahlreiche Fuß- und Tanzgruppen sorgten für ausgelassene Stimmung.

Ein besonderes Bonbon hielten der Verlag und die Redaktion der „Wattenscheider Zeitung” für die Leser nach dem ersten Karnevalsumzug bereit. In einer „Volksbefragung” mit Preisausschreiben wurde dazu aufgerufen, für den besten und schönsten Wagen zu stimmen. Der Preis für den Gewinner: 25 DM.