Wattenscheid. Nach 48 Jahren nimmt Inhaberin Karin Erkal Abschied von der Bude am Beisenkamp und ihrer treuen Kundschaft. Diesmal soll es Nachfolger geben.

Dass ausgerechnet Zucker einmal den Grundstein für eine Jahrzehnte währende Selbstständigkeit bilden sollte - klingt zunächst kurios. Karin Erkal, Inhaberin der Trinkhalle am Beisenkamp, erzählt die Geschichte augenzwinkernd. Am Freitag (17.) wird sie wie immer pünktlich um sieben Uhr das Geschäft öffnen.

Ein Tag wie kein anderer, denn zum letzten Mal steht die gebürtige Wattenscheiderin in ihrem Kiosk. „Liebe Kunden. Nach fast 48 Jahren werde ich nun in Rente gehen“, steht da schlicht auf einem großen roten Blatt.

Doch zurück zum Zucker und zurück in das Jahr 1974. Ehemann Gündüz Erkal geht „anne Bude“, die Trinkhalle am Beisenkamp. Tee ohne Zucker, „Çay“, für Gündüz undenkbar. Doch den begehrten süßen Würfel führt das Ehepaar Maslo, Ur-Wattenscheider, nicht mehr. Begründung: „Wir hören auf, Nachfolger gibt’s nicht“. Weit gefehlt, das war der Anfang.

Die „Bude“ am Beisekamp gehört zum Straßenbild im Viertel. Gut 48 Jahre hat Karin Erkal ihn betrieben, nun ist Schluss.
Die „Bude“ am Beisekamp gehört zum Straßenbild im Viertel. Gut 48 Jahre hat Karin Erkal ihn betrieben, nun ist Schluss. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Denn das junge Ehepaar Karin und Gündüz Erkal entscheidet sich nach reiflicher Überlegung, die Trinkhalle zu übernehmen - am 20. Juni 1974 wird ein Kapitel Wattenscheider Kioskkultur unter neuer Regie fortgeschrieben.

Stets gut sortiert, früher zählten auch Artikel wie Zahnpasta oder Strumpfhosen zum Sortiment. Ergänzt durch die Klassiker, die in einer Trinkhalle dazugehören. Dutzende von gut gefüllten Bonbongläser sind ein buntes Beispiel für das Ambiente, dass die Trinkhalle Erkal auszeichnet. Besonderen Wert legten die Inhaber auf ein breitgefächertes Medienangebot. Von „A wie Asterix“ bis „Z wie Zeitung“, ein Leseparadies. Stets verknüpft mit der engagierten Teilnahme an der „Woche der Zeitung“.

Wenn Karin Erkal heute zum letzten Mal am Schalter steht, dann endet (zunächst) die Geschichte einer Trinkhalle, die fast ein halbes Jahrhundert Pate stand für das, was eine typische Bude im Ruhrgebiet auszeichnet: Stets mehr als nur eine profane Verkaufsstelle. Und natürlich kommt auch jede Menge Wehmut bei ihrer Stammkundschaft auf, das hat die 68-jährige Inhaberin, inzwischen Witwe, in den letzten Tagen ganz häufig erlebt.

Ein großer Name: Uli Maslo aus WAT

Der Sohn des Ehepaares vom Kiosk, Maslo, dürfte nicht nur eingefleischten Fußballkennern ein Begriff sein. Er trägt den Vornamen Ulrich und erblickte am 6. Juli 1938 in Wattenscheid das Licht der Welt. Uli Maslo begann seine sportliche Karriere bei der SG Wattenscheid 09, zuerst bei den Junioren. In der Position des Mittelfeldspielers kickte er von 1957 bis 1959 in den Reihen der 09er, wechselte danach zu Rot-Weiß Essen (1959 bis 1962)

Er beendete seine spielerische Laufbahn beim niederländischen Club RCH Heemstede (1962 bis 1968). Als Trainer ließ Uli Maslo die Fußballwelt aufhorchen - Schalke 04, Eintracht Braunschweig und Borussia Dortmund - um nur einige traditionsreiche Stationen seines Trainerlebens zu nennen. Den größten Erfolg als Coach feierte Maslo im Jahr 1995. Seine Mannschaft, das Team des 1. FC St. Pauli, stieg damals in die 1. Bundesliga auf.

In den 1970er Jahren bildete die Zeche Hannover noch die Kulisse vom Kiosk am Beisenkamp aus - links im Bild.
In den 1970er Jahren bildete die Zeche Hannover noch die Kulisse vom Kiosk am Beisenkamp aus - links im Bild. © FUNKE Foto Services | Repro: Gero Helm

Ende bedeutet allerdings auch Anfang. Karin Erkal verlässt Wattenscheid und zieht in den Harz zu ihrer Schwester. In die Trinkhalle direkt am Stadtgarten ziehen im neuen Jahr Nachfolger ein.