Wattenscheid-Mitte. Die rote Mauer in Wattenscheid-City am Alten Markt bekommt musikalisch ein Denkmal gesetzt: als Bier-Tresen.

Insider sagen: „Zwischen King’s Road und Karl-Marx-Allee und Checkpoint Charlie und Madame Tussaud liegt ein Mäuerchen aus rotem Stein. Mitten auf dem Alten Markt in Wattenscheid-City.“ Nur noch Suchenden verrate es den kaum noch lesbaren Namen: „Oi! the Tresen“.

Damit ist die Verbindung da: London, Berlin, Wattenscheid. „Das Lunsentrio“ baut dem unscheinbaren Mäuerchen zwischen Gertrudiscenter und Osteria-Fachwerkhaus am Alten Markt ein Denkmal aus Musik, Text und Gesang auf ihrem neuen Album. Gitarrist Nick McCarthy tauscht weltweite Stadion-Tourneen mit seiner Ex-Band Franz Ferdinand („Take me out“, „Darts of Pleasure“) gegen einen kultigen „Punk-Tresen“ im Freien ein. Zwischen den Hauptstädten Deutschlands und Englands, wo man gern mit Gerstensaft aus der „Pader-Region“ anstoße, auch aus dem Supermarkt vor Ort.

„Die Kassierer“ aus Wattenscheid kommen ins Spiel

Bier ist dabei wohl also im Spiel, Sinn ergibt das Ganze trotzdem. Oder gerade dehalb. Denn: Geht’s um Punk in Wattenscheid, zapft man am besten direkt die Quelle an, sagen Insider. „Im Zusammenhang mit der Initiative für ein Kulturzentrum in Wattenscheid ist der Tresen um 2007 herum scherzhaft als Ort der Begegnung entstanden.“ Das erklärt Wolfgang „Wölfi“ Wendland, Sänger der Wattenscheider Kult-Punkband „Die Kassierer“. Nachdem irgendwann ganz zufällig „Oi! the Tresen“ auf das rote Mäuerchen gesprüht wurde, sie mehr und mehr zum Treffpunkt wurde und „Die Kassierer“ 2008 dort ein mittlerweile hunderttausend-fach geklicktes YouTube-Interview gegeben haben, verselbstständigte sich die Geschichte um den Wattenscheider Tresen.

Ein Pub in Berlin-Kreuzberg

Und erreichte irgendwann Berlin-Kreuzberg. In einem Pub spielte eine Punkband – auf Zuruf auch Wünsche aus dem Publikum, erinnert sich „Lunsentrio“-Lyriker Hank Schmidt In der Beek an den wahrscheinlich geselligen Abend, „der fließend in den folgenden Morgen überging: Immer wieder wurde ‚Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist‘ von den Kassierern gefordert. Und die Band hat’s durchgezogen.“

Den Schwank nach Wattenscheid stellte letztlich Hanks Freund Rouven her, der sich – angefixt durch den Pub-Punk-Abend – in der Früh bis zum Kassierer-Tresen-Interview auf YouTube durchgeklickt hatte. „Und um meine Verbindung nach Wattenscheid weiß“, vollendet Hank Schmidt in der Beek den Rundweg zurück ins Ruhrgebiet. Seine Mutter ist gebürtige Wattenscheiderin.

Abschied von Franz Ferdinand

2016 wiederum verlässt Lead-Gitarrist Nick McCarthy, die von ihm mitgegründete Indie-Rock-Band Franz Ferdinand, mit der er zuvor Platinalben sammelte. Dafür ist McCarthy seit 2017 – zusammen mit seinem alten Jugendfreund Hank aus Münchener Tagen, noch eine Metropole – Teil des „Lunsentrios“. Das spielte 2018 bei Bochum Total und bekam eine klare Ansage von Hank: „Wir fahren nicht wieder aus dem Ruhrgebiet raus, ohne ‚Oi! the Tresen‘ besucht zu haben.“ Der Besuch der Band lässt auch Lokalkolorit und Inspiration fließen – und Hank Schmidt in der Beek zum Stift greifen: „So einen Punker-Tresen gibt’s wahrscheinlich in jeder Stadt, aber dass der auch noch so einen schönen Namen hat... War halt eine typische Schnapsidee: Unser Drummer „Seb-I“ wohnt in London, ich in Berlin. Daraus kann man eine romantische Geschichte stricken, mit Wattenscheid und dem ehemaligen Gertrudisplatz genau dazwischen in der Mitte.“

Der Kreis schließt sich

So vereinigen sich Metropolen in Wattenscheid, und das „Lunsentrio“ bringt das entspannt von Ska und Reggae getragene „Gertrudisplatz (Oi! the Tresen)“ aufs neue Album „69 Arten den Pubrock zu spielen“. Der Kreis schließt sich weiter, auch Rouven wird auf der Platte im Song „Im Irish Pub“ verewigt. Und nicht zuletzt bildet der Pubrock eine Art Gegenentwurf zum Stadionrock, sagt Hank mit Blick auf die „Rockstar-Karriere“ von McCarthy: „Wir spielen eben am liebsten in Kneipen, kleinen Clubs.“ Ebenfalls wünschenswert wie denkbar: Ein Konzert auf dem Alten Markt, wo der Tresen zum Tr... atschen lädt