Wattenscheid. Der Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer e.V. stellt die Schuldnerberatung wieder um. Neue Belastungen aus der Pandemie werden erwartet.

Die Reaktion kommt oft erst spät, wenn sich die Spirale schon windet. „Wenn jemand überlegen muss, ob er sich etwas zu essen kauft, dann ist das Kind schon in den Brunnen gefallen“, bringt es Ingrid Meisenwinkel-Koch per Sprichwort auf eine Formel. Denn es ist schwierig, genau zu sagen, wann Schulden zum Problem im Leben, im Alltag werden.

Aus dem Lockdown, in dem auch der SKFM, der Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer e.V., an der Westenfelder Straße 58 nur telefonisch erreichbar war, sind die beiden Beraterinnen zurück. Wie Meisenwinkel-Koch ist auch Susanne Höner-Pentzek Volljuristin, und beide beraten nicht nur katholische Klienten: „Um Gottes willen“.

Pandemie wird in Bochum auch hier Spuren hinterlassen

An der Westenfelder Straße ist der Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer Wattenscheid untergebracht.
An der Westenfelder Straße ist der Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer Wattenscheid untergebracht. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Wieder im Büro des schmucken Altbaus ziehen beide die Stirn mit Blick auf die nächste Zeit etwa kraus. Denn die Pandemie wird unter den Aspekten Schuldner- und Insolvenzberatung ihre ganz eigenen Auswirkungen haben. „Da sind sicher viele in Kurzarbeit gegangen oder haben sogar ihren Job verloren“, schätzt Meisenwinkel-Koch. „Und viele haben von zu Hause aus vieles online bestellt“, ergänzt Höner-Pentzek. Eine denkbare Folge: Es geht viel Geld ‘raus, aber es kommt womöglich weniger ‘rein.

„Viele werden wahrscheinlich gar nicht glauben, dass das ein Thema für sie wird“, können sie aus der Erfahrung seit 1999 einschätzen. Denn schlagende Beispiele gibt es immer wieder: Der Maurer, der einen Bandscheibenvorfall erleidet und nicht in den Beruf zurück kann, die Scheidung, die die Familie auseinander reißt, aber die aufgenommenen Kredite bleiben, ein Partner verstirbt und die Rente reduziert sich drastisch. „Wir haben die Fälle“, unterstreichen die SKFM-Beraterinnen, „dass sich Seniorinnen dann bei den Nachbarn Geld leihen, um sich etwas zu essen zu kaufen.“

„Redliche Schuldner“ verlieren Sozialkontakte

Dann schnappt sogar noch eine viel grausamere Falle zu. Denn wer unvorbereitet in Schulden rutscht, verliert unter Umständen auch soziale Kontakte. Von „redlichen Schuldnern“ sei dann im Amtsdeutsch die Rede, wenn der Abbau der Verbindlichkeiten ständig im Zentrum stehe. „Sie geraten mit der Miete in den Rückstand, womöglich soll ihnen der Strom abgedreht werden“, skizziert Ingrid Meisenwinkel-Koch. Dabei gehörten gerade Wohnen und Essen zur Existenzsicherung und könne geklärt werden.

„Da müssen dann unter Umständen die kleinsten Ratenzahlungen ausgemacht werden oder die Schulden festgeschrieben“, zählt sie probate Mittel auf. „Wir haben Verträge mit der Stadt, mit dem Jobcenter“, stellt sie klar. Denn die Entschuldung ist auch auf dem Arbeitsmarkt für eine Vermittlung wichtig, „Lohnpfändungen übernimmt schließlich kein Arbeitgeber gern.“

Info und Kontakt

Die Schuldner- und Insolvenzberatung des SKFM Wattenscheid e. V. ist zu finden an der Westenfelder Straße 58, Telefon: 02327 91 92 07, Fax: 02327 91 92 09. Kontaktaufnahme, erste Informationen sowie Terminvereinbarungen telefonisch oder persönlich montags bis donnerstags von 8.30 bis 12 Uhr und 13 bis 15.30 Uhr, freitags von 8.30 bis 12 Uhr, per E-Mail: info@skfm-wattenscheid.de, im Web: http://www.skfm-wattenscheid.de

Auch da sind unter dem Corona-Diktat Lücken gerissen worden, die sich aktuell noch gar nicht niedergeschlagen haben, schätzen die Juristinnen. Denn auch das Jobcenter musste seine Mitarbeiter ins Homeoffice schicken, dadurch hätten sich sicherlich viele Betroffene aus Wattenscheid und Bochum noch nicht gemeldet, die in direkten Gesprächen mit ihrem Arbeitsvermittler im Normalfall schon zur Schuldnerberatung geschickt worden wären.

Durch die Corona-Unterstützungen könnten auch ehemalige Selbstständige ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen. „Wir sind hier breit aufgestellt“, beruhigen die SKFM-Beraterinnen.