Wattenscheid-Eppendorf. Beim Nach-Corona-Treffen des Netzwerkes im Eppendorfer Gemeindezentrum ziehen die Aktiven Bilanz. „Gelebte Integration“ hat viele Facetten.

„Miteinander haben wir viel geschafft“ ist der Tenor des Netzwerks Flüchtlingshilfe Eppendorf. Nach über einem halben Jahr Zwangspause durch die Pandemie zog ein kleiner Kreis eine Bilanz der bisherigen Arbeit.

Seit Mitte September können sich unter Hygiene-Auflagen wieder Gruppen im evangelischen Eppendorfer Gemeindezentrum treffen. Von den 20 bis zu teils auch schon 50 Aktiven des Netzwerkes Flüchtlingshilfe hatten für diese erste Zusammenkunft allerdings noch viele abgesagt, zum Teil auch, um direkte Begegnungen noch zu meiden.

Internationale Hilfe ist wichtig

In den fünf Jahren des ehrenamtlichen Einsatzes habe sich auch im überschaubaren Eppendorf viel getan, leitete Günter Ruddat nicht ohne stolz ein. Allerdings mache das Schicksal der vielen Flüchtlinge auf der griechischen Insel Lesbos und im abgebrannten Lager Moria aktuell gleich wieder darauf aufmerksam, wie wichtig die internationale Hilfe sei. Das gelte noch verstärkt durch die Corona-Pandemie.

Über die nunmehr fünf Jahre habe sich in Zusammenarbeit der Flüchtlingshilfe und der Gruppe „Brückenbauer“ aus Höntrop „fast so etwas wie ein Familienbetrieb“ bei der Betreuung herausgebildet. „Als die Flüchtlinge am Anfang in der ehemaligen Schule an der Ruhrstraße untergebracht waren, entstanden eine eigene Fußballmannschaft, die sogar in der Freizeitliga angetreten ist, und unsere Fahrradwerkstatt. Da waren ja auch schon fast täglich Leute aus der Gemeinde da“, erinnerte Ruddat.

Bindungen zwischen Menschen

Es entstanden Strukturen und Bindungen zwischen den Menschen. „Wir haben auch heute noch eine echte Tamdem-Betreuung“, meinte er schmunzelnd.

Allerdings habe die Verlegung der Flüchtlinge zum neuen Container-Standort an der Höntroper Straße und der Wechsel in der Trägerschaft auch für Brüche gesorgt, die Flüchtlinge hätten sich teils zurückgezogen. „Die Kontakte hatten sich plötzlich verändert“, bedauerte Ruddat.

Nach der Corona-Pause kamen die Teilnehmer des Netzwerkes Flüchtlingshilfe erstmals wieder im Gemeindezentrum In der Rohde zusammen.
Nach der Corona-Pause kamen die Teilnehmer des Netzwerkes Flüchtlingshilfe erstmals wieder im Gemeindezentrum In der Rohde zusammen. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Neben der jährlichen Advents-Fenster-Aktion in der Gemeinde, bei der das Netzwerk Flüchtlingshilfe ein fester Bestandteil geworden ist, war allen Beteiligten vor allem das Internationale Frühlings- und Solidaritätsfest 2019 in Erinnerung. „Das war wirklich ein Höhepunkt“, war sich die Runde einig, das Echo zu den zahlreichen Aktionen im Gemeindezentrum war enorm.

Ruddat konnte bei diesem Rückblick noch den Beitrag der iranischen Lyrikerin Nahed Al-Essa zum „Tag der Flüchtlinge“ im vergangenen Jahr herausheben, der im Deutschlandfunk übertragen und anschließend auch als Hörbuch bearbeitet wurde.

Erfahrungen blitzen auf

Immer wieder blitzten in der kleinen Runde die einzelnen Erfahrungen, bunte Begebenheiten, aber auch Schicksale auf, die die Aktiven der Flüchtlingshilfe in dieser Zeit erlebten. Wie die eines Syrers, der sich via Internet aus der Ferne in eine Frau verliebte, die er aus seiner Kinderzeit kannte. „Wie holen wir die raus?“, rätselten die Eppendorfer.

Wie sie die Drahtesel in der Fahrradwerkstatt auffällig in Regenbogenfarben lackierten, damit die nicht so einfach geklaut würden. Aber auch, wie einer der traumatisierten Flüchtlinge keinen anderen Ausweg als den Selbstmord mehr sah. Sowohl in der Unterkunft wie im Gemeindehaus konnte eine bewegende Trauerfeier abgehalten werden.

Ansporn zum Weitermachen

Der Kommentar einer Besucherin beim Frühlingsfest „das ist gelebte Integration hier“ ist der Ansporn für die Gruppe zum Weitermachen. „Denn wir wissen ja nicht, was da kommt“, war allen klar, „das verschwindet ja nicht alles einfach“.

Weitere Nachrichten aus Bochum finden Sie hier