Wattenscheid. Diesmal geht es in der Reihe „Auf eine Tasse Kaffee...“ um Alfred Winter. Als WAZ-Fotograf in Wattenscheid formte er eine Autorenzeile zur Marke.
„WAZ-Winter“, hieß es prägnant über Jahrzehnte. Immer noch ist der 87-Jährige im Stadtbild präsent. „Sir Alfred“, wie ihn seine ehemaligen Kollegen wegen seiner guten Manieren liebevoll nannten, empfängt WAZ-Mitarbeiter Norbert Philipp zum Interview – wie immer mit einem freundlichen Wort in seinem Penthouse in der WAT-Innenstadt.
Die Wattenscheider Blütezeit hautnah miterlebt
WAZ: Sie gehören zu den wenigen Zeitzeugen der Wattenscheider Blütezeit. Dabei stammen Sie gar nicht aus dem Revier.
Alfred Winter: Das ist richtig, Emsdetten ist meine Geburtsstadt. Ich bin also ein echter Westfale. Eigentlich wollte ich in den Bergbau, genau wie mein Großvater. Nach dem Studium in der Berg- und Universitätsstadt Clausthal-Zellerfeld konnte ich meinen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht ausüben. Durch Zufall bin ich als Fotoredakteur bei der WAZ in Gelsenkirchen gelandet. Auch das war eine schöne Zeit, ich hatte damals schon den Gelsenkirchener Spitzenfußball, Schalke 04, als Aufgabengebiet.
Wann wurde Wattenscheid Ihr „Fotorevier“?
Winter: Das war 1964. Ich bin vom damaligen Essener Chefredakteur mehr oder weniger gebeten worden, die freigewordene Stelle in der Wattenscheider Redaktion zu übernehmen. Die Wattenscheider Urgesteine Franz Werner Bröker und Peter Peitzmeier haben mich an die Hand genommen und mir alles Wichtige in Wattenscheid gezeigt. So habe ich in der Stadt sehr schnell Fuß gefasst.
Und sind dann gleich in die alte Hellwegstadt gezogen!
Winter: Nein, es war Anfang der 1960er Jahre gar nicht so einfach, eine Wohnung zu finden. Wohnraum war knapp und wurde bewirtschaftet, Wohnungen wurden durch die jeweilige Kommune zugeteilt. 1965 traf ich den Oberbürgermeister und späteren Oberstadtdirektor Georg Schmitz bei einer Veranstaltung in der Stadthalle an der Saarlandstraße, der mir bei der Wohnungssuche behilflich war. Die Sparkasse baute an der Westenfelder Straße 201 in Höntrop gerade eine neue Zweigstelle mit darüber liegendem Wohnraum. Schmitz sorgte dafür, dass ich dort im folgenden Jahr einziehen konnte.
Serie „Auf eine Tasse...“
Was die Menschen in Wattenscheid bewegt: In der Serie „Auf eine Tasse Kaffee/Tee mit...“ sprechen Mitarbeiter der WAZ-Lokalredaktion mit Wattenscheider Bürgerinnen und Bürgern und zeigen dabei auf, was diese bewegt.
Diese Interview-Reihe bietet nicht nur Daten, Zahlen und Fakten über eine Person, sondern richtet den Fokus auf das Persönliche, das Menschliche. Und bietet dabei aber auch Einblicke, wie sich WAT entwickelt und verändert hat.
War das die Blütezeit der Stadt Wattenscheid?
Winter: Das kann man so sagen. Wattenscheid war in jeglicher Hinsicht ein Paradebeispiel. In dieser Zeit trat auch Klaus Steilmann in mein Leben, den ich auf dem Fußballplatz kennenlernte. Es begann eine vor allem für Journalisten interessante Zeit in der Stadtgeschichte. Wattenscheid hatte auch durch Klaus Steilmann schnell einen Namen im gesamten Land. Die Auflage der WAZ stieg und stieg. Als ich mich 1996 in den Ruhestand verabschiedete verzeichnete die Wattenscheider Zeitung weit über 15.000 Abonnenten. Die Zeit bei der WAZ war die herrlichste Zeit meines Lebens.
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Die Tageszeitung also als ein Ankerpunkt in der Stadt.
Winter: Der Stellenwert einer Tageszeitung und die Stellung der Redakteure waren früher eine ganz andere. Wir konnten richtig mitbestimmen. Sieben Redakteure berichteten allein für die Wattenscheider Ausgabe. Dann kam die Eingemeindung und meine Arbeit bekam einen anderen Stellenwert. Viel weniger Termine und in der Stadt war immer weniger los.
Wie sind Sie mit der Situation umgegangen?
Winter: Ich war immer auf der Suche nach neuen Themen. Regelmäßig bin ich mit dem Fahrrad spazieren gefahren, immer die kommenden Ausgaben im Hinterkopf und habe fotografiert. Gerne habe ich dann am nächsten Tag in der Redaktionssitzung die ein oder andere Story vorgeschlagen. Dazu konnte ich bereits die Fotos präsentieren.
Welche Ihrer Auszeichnungen ist Ihnen ans Herz gewachsen?
Winter: Die sechs Meter hohe Eiche, die von der Umweltschutzorganisation „pro grün“ an der Ecke Saarland-/Bahnhofstraße für mich gepflanzt wurde. Die Verantwortlichen waren 1995 der Meinung, dass durch meine Berichterstattung die Akzeptanz der Menschen für Umweltschutzmaßnahmen und damit zur Schöpfungsbewahrung gewachsen sei. Ein heute noch aktuelles und mir wichtiges Thema.
Können Sie sich an Ihren ungewöhnlichsten Einsatz erinnern?
Winter: Ja, zur Ölkrise in den 1970er Jahren wurden die Autobahnen für Kraftfahrzeuge gesperrt. Ich bin dann kurzerhand zum Spelbergshof, um hoch zu Ross über die Autobahn meine Termine wahrzunehmen. Ich komme vom Land und konnte natürlich reiten. Am Ende wollte der Zosse im Galopp in den Stall, leider war die Stalltür sehr niedrig.
Sie galten als Multitalent, fotografierten, texten und Sie sollen sehr sportlich gewesen sein.
Winter: Tennis, Fußball, Radfahren und Golf. Das waren meine Sportarten. Bis 2017 habe ich noch mit Leidenschaft Golf gespielt und nach 25 Jahren die Golfschläger in die Ecke gestellt. Aufgehört habe ich mit Handicap 13, nicht gerade schlecht. Mit dem Rad fahre ich heute noch.
Mit 87 Jahren?
Winter: Ja, aber ich wusste ja, dass ich uralt werden sollte. Woher? Nun, in den 1970er Jahren besuchten wir als Redaktion eine Weissagerin. Mir prophezeite sie ein langes Leben, 83 oder 84 Jahre. Sehr zu meiner Freude sind es sogar mehr geworden.
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