Wattenscheid. Beim letzten Verkaufstag für die Wattenscheider Metzgerei Müller herrscht Hochbetrieb. Auch Markt-Sprecher Jürgen Greife bedauert den Abschied.

Streng genommen sind es über 100 Jahre seit der Firmengründung, wenn auch im nahen Gelsenkirchen, aber seit 1924 hat es die Fleischerei Müller als kleinen Familienbetrieb mit großem Stammkunden-Anteil an der Hochstraße im Herzen der Hellwegstadt gegeben. Sie gehörte zum Stadtbild fest dazu. Und lange Zeit hat Herbert Müller nun auch die Wochenmärkte mit seinem Verkaufswagen für Fleisch- und Wurstwaren beschickt. Auf dem Alten Markt ist diese Ära dann doch zu Ende gegangen. Der Betrieb schließt.

„Irgendwann ist eben der Akku einfach doch auch „mal leer“, meint auch Jürgen Greife, Sprecher der Markthändler, der zwei Reihen weiter an diesem Tag sein Obst und Gemüse verkauft, „das kann man verstehen und das muss man auch akzeptieren. Immerhin hat er das langsam mit bald 70 auch wirklich verdient.“

Zahlreiche Menschen warten auf die Bedienung am Stand von Metzgerei Müller auf dem Wattenscheider Wochenmarkt. Der Betrieb schließt endgültig.
Zahlreiche Menschen warten auf die Bedienung am Stand von Metzgerei Müller auf dem Wattenscheider Wochenmarkt. Der Betrieb schließt endgültig. © FFS | Dietmar Wäsche

„Wir bedauern das als Händlerkollegen genau so wie die Kunden“, beschreibt Greife, „denn Müllers Wagen war ja hier auch schon bestimmt gute 20 Jahre jedes Mal dabei. Der gehörte einfach dazu.“ Vor dem Verkaufswagen von Herbert Müller, der sich den letzten Tag auf dem Alten Markt persönlich nicht entgehen lassen hat, bildet sich eine lange Schlange von geduldigen Fans seiner Ware. Die ist bestimmt nicht nur wegen der Abstandsregeln unter Corona-Gesichtspunkten so lang, immerhin war auch das Bild am kleinen Geschäft an der Hochstraße/Ecke Harkortstraße in den letzten Wochen auch schon täglich mehr als beachtlich.

Herbert Müller hatte bereits unmissverständlich Anfang des Monats angekündigt, in der Woche nach dem 13. Juli keine weiteren Bestellungen annehmen zu können. „Das Kapitel ist abgeschlossen“, unterstreicht auch der Juniorchef Jan-Marius Müller. Seit zwei Jahren fanden sich keine geeigneten Gesellen mehr, um den Betrieb weiter zu führen.

Silbermedaille für Traditionsrezept

Dabei ist es gerade einmal acht Jahre her, dass der Traditionsmetzger von der Hochstraße von der „Bruderschaft der Ritter der Blutwurst“, der „Confrérie des Chevaliers du Goûte Boudin“, mit einem Silbernen Orden für seine Grützwurst nach traditionellem Rezept und Machart ausgezeichnet wurde. Müller hatte seinerzeit erstmals wieder nach gehöriger Pause an einem solchen Wettkampf teilgenommen und freute sich mit seinem Team um so mehr riesig über diese glänzende Platzierung.

Am Rande

Für ausländischen Wursterzeugnisse werden im Wettbewerb um den Titel unter den Blutwurst-Metzgern drei Kategorien bewertet: Blutwurst nach französischer Art (Verzehr nur in gegrilltem oder gebratenem Zustand), traditionelle deutsche oder österreichische Blutwurst (wie Rotwurst, Zungenwurst, Thüringer), nicht-traditionelle Zubereitung, etwa mit Zusatz von Maronen oder Preiselbeeren.

Wer in die „Confrérie des Chevaliers du Goûte-Boudin“, den Orden der Blutwurst-Ritter aufgenommen ist, darf die Medaille mit der Wurstgabel und dem Rost als Emblem tragen.

Dabei hatte der heute 68-Jährige eigentlich eine Kochlaufbahn als Berufsziel angestrebt, ging dann aber doch 1969 im väterlichen Fleischerbetrieb in die Lehre. Sieben Jahre war der nächste Meilenstein mit dem Meisterbrief erreicht. Herber Müller wurde Chef des Traditionsbetriebs mit damals zehn Mitarbeitern.

Herbert Müller zeigt in seiner Metzgerei-Küche in Wattenscheid den Orden und die prämierte Blutwurst.
Herbert Müller zeigt in seiner Metzgerei-Küche in Wattenscheid den Orden und die prämierte Blutwurst. © WAZ Archiv | Svenja Hanusch

„Ich kann mich erinnern, dass wir in Köln, der Hauptstadt des Flöns, bereits Preise abgeräumt haben“, erzählte Müller nach der Auszeichnung. Damals, zu seiner Anfangszeit, standen Wettbewerbe noch auf der Tagesordnung. Das war in den 1970er Jahren, danach ließen die Wurstmacher die eine oder andere Chance auf den Vergleich unter Zunft-Kollegen eher verstreichen. „Schließlich entscheidet doch sowieso der Kunde, wie gut die Wurst ist, oder eben nicht.“

Über den Geschmack entscheidet der Kunde

Diese besonders Herausforderung, am „Grand Prix International du Goute Boudin“ teilzunehmen, konnte sich der Wattenscheider Metzger mit seinem Team dann aber 2012 doch nicht nehmen lassen. Dabei werden jährlich die besten Einsendungen prämiert, mit 400 bis 600 Teilnehmern aus ganz Europa gestaltet die französische „Bruderschaft der Ritter der Blutwurst“ diesen weltweit einzigartigen Kampf um die tollste Wurst.

„Es geht um Geschmack, Aussehen und Konsistenz“, erklärt der Fachmann. Eigentliches Kunststück sei es außerdem, die richtige Schärfe zu finden. „Die Gewürze sind entscheidend für den Geschmack, durch das Blut erhält die Wurst ihre einzigartige Charakteristik.“

Waren von Müller wurden auch von der „Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft“ (DLG) prämiert. Die Fachzeitschrift „Feinschmecker“ führte den Betrieb unter den 400 besten Metzgereien in Deutschland.