Wattenscheid. Weil immer mehr Kunden regional einkaufen, sagen Landwirte in einer Tour durchs Land „Dankeschön“. Auch in Wattenscheid.

Es ist sozusagen ihr Staffelstab: Große grün-gelbe Traktoren mit Schleppern und der Aufschrift „Vielen Dank für Ihre Unterstützung“ stehen am Mittwochvormittag vor dem Raiffeisenmarkt an der Hansastraße 88 in Wattenscheid. Versammelt haben sich hier Wattenscheider Landwirte, um den Verbrauchern für ihr Einkaufsverhalten und ihren Zuspruch zu danken. Weitertuckern sollen die Traktoren dann als nächstes nach Essen und Mühlheim, langfristig durch die gesamte Nation.

Immer mehr Menschen kaufen regionale Produkte

„Immer mehr Menschen kaufen regional ein“, sagt Landwirt Florian Westerhoff. Nicht erst seit der Coronakrise sei der Verkauf regionaler Produkte um 20 bis 30 Prozent gestiegen. In Wattenscheid betreibt Westerhoff Ackerbau – baut etwa Erdbeeren, Sonnenblumen, Mais und Getreide an.

Ins Gespräch kommen

Die Tour durchs Land ist eine Aktion des Vereins „Land schafft Verbindung“. Die Bewegung möchte erreichen, dass Politik und Bürger mit den Landwirten ins Gespräch kommen, anstatt nur übereinander zu sprechen.

Weitere Informationen dazu gibt es unter www.landschafftverbindung.org. In Deutschland gibt es aktuell etwa 266.500 landwirtschaftliche Betriebe. Zum Vergleich: 1975 waren es noch 904.700 Höfe.

Die Vorzüge regionaler Produkte hat er schnell erklärt: „Regionale Produktion ist besser für die Umwelt und die Menschen möchten wissen, woher ihreLebensmittel kommen“, sagt er. In Zeiten von Krisen wie dem Eierskandal legten die Menschen darauf immer mehr wert. In seinem Hofladen gehört aber auch Aufklärungsarbeit dazu: „Wenn ich jetzt nach Feldsalat gefragt werde, erkläre ich, dass es sich um eine Winterfrucht handelt“, erklärt der Bauer. Viele Menschen wüssten das nicht mehr.

Bauern fühlen sich als „Buhmann“

Auch generell wollen die Landwirte etwas an ihrem Image ändern. „Wir fühlen uns als Buhmann und werden für alles alleine beschuldigt“, ärgert sich Landwirt Alexander Grüner. Auch er ist im Ackerbau tätig, zusätzlich in der Pensionspferdehaltung. „Wir wurden in der Corona-Krise beschuldigt, sollen außerdem alleine am Klimawandel, der Nitratbelastung und dem Insektensterben schuld sein“, so Grüner weiter.

Eine Teilschuld komme der Landwirtschaft sicher zu, aber man dürfe auch die Flächenversiegelung durch Bauprojekte nicht vergessen. Lokalpolitiker Marc Westerhoff (CDU) sagt: „In der Coronakrise haben wir erlebt, dass wir uns gut selbst versorgen können, und es gefährlich ist, wenn wir nur vom Ausland abhängig sind“. Hofläden seien in seinen Augen eine sinnvolle Ergänzung zu Supermärkten. „Man darf aber nicht mehr Biolebensmittel fordern, gleichzeitig aber für ein Brathähnchen nur 2,50 Euro zahlen wollen“, erinnert er.

Deutsche Erntehelfer schwer zu bekommen

Auch die Landwirte erklären: „Wir sind ein bisschen teurer, aber die Standards in Deutschland sind in Sachen Pflanzenschutz, Arbeitsschutz oder Lohn einfach höher. Somit lohnt sich regional kaufen doppelt.“ Deutsche Arbeiter seien für Erntearbeiten fast nicht zu bekommen – zu hoch die körperliche Belastung, zu niedrig der Lohn.

Von Politik und Verbrauchern wünschen sich die Bauern mehr Verständnis. „Wenn wir mit unserer Pflanzenschutzspritze auf dem Acker sind, werden wir häufig beschimpft“, berichtet Landwirt Westerhoff. Dabei gelte in Bochum auf den städtischen Flächen ein Glyphosatverbot. „Wir wollen niemanden vergiften und mit dieser Apparatur kann man auch Düngen oder Mikronährstoffe an die Pflanzen verteilen“, erinnert er.

Mehr Verständnis gewünscht

Landwirt Achim Heinrichs fordert deshalb: „Die Politik darf nicht nur auf lautes Geschrei hören, sondern muss auf einer wissenschaftlichen Basis arbeiten.“ In Sachen Nitratbelastung liefert das deutsche Messnetz seiner Meinung nach keine repräsentativen Werte. „Während alle EU-Länder ihr gesamtes Messstellensystem übermittelt haben, hat Deutschland nur die Werte der 20 höchsten Stationen angegeben“, beschwert er sich. Dadurch entstünden höhere Durchschnittswerte, folglich eine strengere Düngeverordnung.

Landwirt Heinz Budde meint: „Wenn wir das EU-Recht einhalten und nicht immer deutsche Sonderwege gehen, wäre uns schon geholfen.“ Auf seinen Wattenscheider Flächen baut er Zuckerrüben, Mais und Getreide an. Auch ein Hofcafé betreibt er, außerdem kann man Gemüsegärten zum selbst Beackern bei ihm mieten. „Da ist die Nachfrage gestiegen, in der Coronakrise bietet ein Gemüsegarten nämlich doppelt Freiheit: Das Gärtnern im Freien und die hauseigene Produktion“, so Budde. Aktuell übrigens laut Kalender regionale Saisonware: vor allem Kirschen und Beeren, Möhren, Radieschen, Brokkoli und Blumenkohl.