Wattenscheid. Anwohner der Stauffenbergstraße in Wattenscheid sind wütend: Seit Monaten plage sie Lärm einer nahegelegenen Spedition. Behörden eingeschaltet.

Jörn Schrader ist verzweifelt: So hatte er sich die Idylle in seinem Eigenheim nicht vorgestellt. 2013 erworben, startete das Wohnglück noch wie gewünscht: „Wir haben uns sofort wohl hier gefühlt und alles nach unseren Vorstellungen gestaltet“, erzählt der Familienvater. Damals konnte er noch in Ruhe im Garten sitzen und nach seinen Nachtschichten bis vormittags schlafen. „Heute geht das nicht mehr, von sieben Uhr morgens bis 16 Uhr werden wir beschallt“, sagt Schrader.

Lärm kommt von einer nahegelegenen Spedition

Lärmproduzent sei die nahegelegene Industriehalle an der Märkischen Straße. Mehrere Jahre stand sie leer, seit Februar 2019 wird sie von der Spedition Rottbeck gemietet. Das Tagesgeschäft einer Spedition bringt eine neue Geräuschkulisse mit: „Stapler mit Hartgummireifen donnern über alte Blechrampen, Paletten werden rumgeschmissen“, beklagt sich Schrader. Seine doppelt verglasten Fenster würden dadurch in Schwingung geraten. Auch Anwohnerin Margit Schlabock fühlt sich massiv gestört: „Man hört das Knallen der Eisencontainer im Haus.“

Umweltamt kam zur Messung

Schrader hat bereits fast alle Register gezogen: Spedition, Hallenbesitzer, Stadt und Umweltamt kontaktiert, Unterschriften gesammelt, politische Vertreter kontaktiert. Die Spedition lud ihn zu einer Besichtigung vor Ort ein. „Dort konnte ich mich überzeugen, dass die Technik auf dem Stand der 80er Jahre ist“, so Schrader. Wolfgang Engels, Prokurist der Firma, stellt klar: „Uns liegt eine Betriebsgenehmigung der Stadt für die Zeit Montag – Samstag von 6 bis 22 Uhr vor.“

Beladetätigkeiten

Da die Spedition viele Lebensmittel ausliefere, sei diese wegen der Corona-Krise sogar temporär auf 4 bis 23 Uhr und 6 bis 18 Uhr erweitert worden. „Die Erweiterung haben wir nicht genutzt, wir versuchen die Lärmemission so gering wie möglich zu halten“, unterstreicht Engels. Die Beladetätigkeiten würden weitestgehend nicht hinten zum Wohngebiet stattfinden, sondern Richtung Freibad. „Hinten raus werden meist Überseecontainer, händisch, ohne Hilfe von Flurförderfahrzeugen, entladen und palettiert. Unserer Meinung nach kommt es zu keiner erhöhten Lärmemission.“

Umweltamt informiert

Schrader und seine Mitstreiter sehen das naturgemäß anders, sie holten das Umweltamt für eine Lautstärkemessung nach Wattenscheid. „Im November 2019 wurde in der Zeit von 6 bis 17 Uhr auf der Terrasse des Beschwerdeführerhauses eine Lärmmessung durch den Mess- und Prüfdienst der hiesigen Behörde durchgeführt“, teilt das Umweltamt mit. Die Messung habe eine Unterschreitung des zulässigen Immissionsrichtwertes für Dauerschall um 12,2 dB(A) ergeben. Heißt: Kein Handlungsbedarf.

Stadt sieht Hände gebunden

Schrader aber meint: „Die Messung spiegelt die Situation nicht wider. Sie wurde auf 16 Stunden gemittelt und das Messgerät stand hinter meiner Glaswand.“ Das Umweltamt sagt dazu: „Die Glasschutzwand befand sich seitlich vom Messgerät und behinderte die freie Schallausbreitung nicht. Die Mittelung des gemessenen Dauerschalls ist durch die Messvorschrift vorgegeben und kann schon allein wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung nicht von einer Behörde willkürlich geändert werden.“ Für eine erneute Messung sehe man derzeit keinen Anlass.

Lärmmessung

Das Umweltamt Hagen erreichten 2019 monatlich etwa 15 Beschwerden über bestehende Gewerbebetriebe und über Baustellen aus dem Stadtgebiet Bochum.

Bei einer Lärmmessung nach der Technischen Anleitung Lärm wird ein ungleichmäßiges Geräusch (etwa Be- und Entladetätigkeiten) mit einem konstanten Immissionsrichtwert verglichen. Dazu wird das gemessene (unregelmäßige) Geräusch in ein gleichmäßiges Geräusch mit konstanter Lautstärke umgerechnet und am Tag auf den Zeitraum von 6 bis 22 Uhr gestreckt.

Auch die Stadt Bochum sieht ihre Hände gebunden: Aufgrund des Ergebnisses der Lärmmessung sei kein Verstoß gegen Bestimmungen der Baugenehmigung anzunehmen. „Ein bauordnungsrechtliches Einschreiten von unserer Seite ist daher nicht möglich“, so Stadtsprecher Peter van Dyk. Was sich Schrader wünscht: „Neue Laderampen, Anfahrpuffer, die Schall schlucken und eine hohe Schallschutzmauer über die gesamte Hallenbreite.“ Ohne Auflagen des Ordnungsamtes ist es unwahrscheinlich, dass die Spedition derlei Maßnahmen ergreift. Bleibt zum Schluss noch Hallenbesitzer Johannes Kirchner, der in Berlin wohnen soll. Er ist für die Redaktion nicht erreichbar gewesen – entweder sind die Nummern seiner Firmen nicht vergeben oder der eine Ansage teilt mit, der Anrufer sei „nicht verfügbar“.

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