Wattenscheid/Witten. Christoph Heemann hat die Computer-Tastatur gegen das Steuer der Ruhrfähre getauscht. Für den Betrieb sorgt die Beliebtheit des Ruhrtalradwegs.
Es ist nicht die weite Welt, nicht der endlose Ozean, aber es ist schon ein bisschen eine andere Welt. Leise vor allem, grün drumherum. Vielleicht nicht für jede Großstadtpflanze ideal, für Christoph Heemann schon. Nach Feierabend kann er zurück in die Wattenscheider Innenstadt, „seine Ruhe“ auf dem Balkon finden. Denn das hier ist ja auch Arbeit: Heemann ist hauptamtlicher Schiffsführer auf der Ruhrfähre an der Ruine Hardenstein.
Der Weg zum Wasser war für den 51-Jährigen vorbestimmt, „das Segeln habe ich in Wattenscheid gelernt“, meint er schmunzelnd. Soll heißen, er hat schon als Teenager Wassersport betrieben, war in der Jungen Gemeinde im Segel- und Bootsbauverein und hat dann an der Ostsee in Scharbeutz mit 16 Jahren den Segelschein gemacht. „Die selbst gebauten Kähne sind dann auf dem Ijsselmeer in Holland vom Stapel gegangen, auch schon anders als am Kemnader See“, weiß Heemann.
Datenbank-Administrator war er an der Uni in Hagen, und hat sich nicht darauf verlassen, dass er das ewig bleiben würde. Und Neptun muss wohl ein Auge auf Heemann („wie Seemann!“) geworfen haben. Denn er kam zunächst ehrenamtlich in das Team der Helfer, und dann über die „Wabe“, die „Wittener Gesellschaft für Arbeit und Beschäftigungsförderung“, dauerhaft und in Vollzeit zur Fährstelle gegenüber der Ruine Hardenstein.
Immer mehr Gäste für die Fähre
Denn der Betrieb auf dem Ruhrtal-Radweg wuchs immens, die Zahl der Fähr-Gäste entsprechend, und die wollten keine Wartezeiten von bis zu zwei Stunden an der kleinen Fähre in Kauf nehmen. Die liegt heute am Ufer. Die große, die Heemann jetzt im Schichtbetrieb zwischen März und Oktober bedient, fasst 50 Fahrgäste, oder 35 mit Fahrrädern, und pendelt laufend. „Die räumt schon richtig ab“, weiß Heemann.
„Hol über!“
„Zahl’, was es Dir wert ist!“ steht lediglich auf dem Hinweisschild am Ufer, denn einen festgesetzten Tarif für die Überfahrt gibt es nicht. Zwei Kästen sind an der Reling montiert.
„Wir nehmen aber auch Kreditkarten“, verrät Christoph Heemann schmunzelnd, „aber nur unterschrieben“. Tatsächlich trägt sich der Fährbetrieb inzwischen selbst, überschlägt er.
Die hat die Mannschaft sogar selbst gebaut, „auf der Wiese nebenan, mit Lehrlingen der Deutschen Edelstahlwerke“, und für die Koordination und die Verantwortung wurde der Wattenscheider ausgeguckt. Er legte vor der Bezirksregierung Duisburg die Prüfung ab und ist nun Schiffsführer mit Patent. „Das ist aber eins der kleinsten“, erklärt er.
Ehrenamtlicher mit Sportboot-Schein
In Theorie und Praxis sowie der Technik musste er sich auskennen, inzwischen darf er sogar selbst ausbilden, und hat damit das Hobby zum Beruf gemacht. „Das war nicht geplant“, meint er rückblickend. „Erst wurden Ehrenamtler gesucht und dann sind sie bei der Suche nach einem Koordinator auf mich gekommen, ich hatte gerade mal den Sportbootführerschein.“
In der Woche ist es recht ruhig, vergleicht Heemann, während er den nächsten Trupp Radler empfängt, „so 400, 500 Passagiere am Tag vielleicht, aber an guten Sonntagen dafür schon mal 3000“. Staunende Gäste hat er nicht nur aus dem Ausland, selbst aus den Revier-Nachbarstädten wollen die Besucher oft nicht glauben, wie es im Ruhrtal aussieht. „Das ist schon was Besonderes, eine einzigartige Landschaft“, räumt er ein, „aber ich kann eben auch jeden Abend wieder nach Hause fahren. Die Mischung macht’s“.
Dass er mit dem Team aus Haupt- und Ehrenamtlichen nach der Saison im Herbst und Winter in ein Stimmungsloch fallen könnte, weist Christoph Heemann zurück. Die Wartung für die kleine und die große Fähre steht an, auch das gut 200 Jahre alte Schleusenwärterhaus muss ständig instand gehalten werden. Es herrscht ständig Betrieb, durch die Reisenden und für die Reisenden. Deren Schutzpatron übrigens Christophorus ist. Und der der Seefahrer und Flößer.