Wattenscheid/Brikama. Das Wattenscheider Entwicklungshilfe-Projekt in Gambia stockt die Plätze von 450 auf 540 Kinder auf. Eine Praktikantin aus Höntrop hilft mit.
Eine Wattenscheider Top-Adresse liegt etwa 5000 Kilometer Luftlinie von St. Gertrud und August-Bebel-Platz entfernt. Der „Kindergarten Wattenscheid in Gambia“ ist im westafrikanischen Kleinstaat bestens bekannt, die Plätze in der Vorschule sind heiß begehrt. Dem trägt der Wattenscheider Verein jetzt Rechnung und erweitert das Bildungsangebot.
Peter Funke, seit Oktober vergangenen Jahres Vorsitzender, konkretisiert: „Jetzt werden in 15 Klassen 450 Mädchen und Jungen unterrichtet, zum neuen Schuljahr im Herbst sollen es 480 Kinder sein. In insgesamt drei Jahren werden wir dann den Stand von 540 in 18 Klassen haben.“
Bei einem einwöchigen Gambiabesuch im Mai haben Funke und sein Stellvertreter Thomas Solbrig alle notwendigen Planungen festgezurrt. Der Standort für den Neubau ist ausgeguckt, die Kalkulationen sind gecheckt. „Wir werden auch unser Förderprogramm für unsere Abschlussjahrgänge, die zur staatlichen Grundschule wechseln, erweitern,“ ergänzt Funke (61). Mit der Renaturierung des großen Schulgartens wurde begonnen, das Toilettengebäude für die Kinder ist renoviert, die Instandsetzung eines älteren Klassenblocks fast abgeschlossen.
Dafür hat Schulleiterin Hawa Sanneh, seit 20 Jahren an der Spitze des Kindergartens, ein besonderes Team verpflichtet: „Das macht eine Firma von Taubstummen hier aus Brikama. Die arbeitet sehr gut. Wir verständigen uns mit Händen und Füßen.“ Verstärkung aus Deutschland hat die Leiterin im März bekommen: Milena „Milli“ Kossorz, Studentin an der Fachhochschule Bochum, bleibt bis Anfang Juli. Dann kehrt die ehemalige Höntroperin zurück in ihre Wahlheimat nach Bochum-Linden. „Eine Bekannte aus Höntrop hat mich auf das Projekt aufmerksam gemacht.“
Wattenscheiderin lernt Leben in Gambia kennen
Mit den Jüngsten aus den ersten Klassen tanzt oder spielt sie und übt die Aussprache des englischen Alphabets, „sie können ja noch kein Englisch.“ Toben die Drei- und Vierjährigen im Unterricht mal zu doll, wenden die gambianischen Lehrer eine besondere Übung an, hat Milli erfahren: „Dann sollen die Kinder ihre Köpfe einfach mal kurz auf den Tisch legen, das entspannt.“
Aber als ein gambianischer Fotograf kam, um mit seiner Drohne luftige Filmaufnahme vom Kindergarten zu machen, war’s mit jeglicher Entspannung vorbei: „Das war eine Mischung aus Erstaunen und Begeisterung. Die Kinder haben die Drohne überall hin verfolgt und sich dabei auch mal gegenseitig über den Haufen gerannt.“
In 2020 feiert der Kindergarten Jubiläum
Vieles im Kindergarten und im täglichen Leben außerhalb der Schule empfindet die 21-Jährige als „entspannter und lockerer als zu Hause. Es ist halt nicht so deutsch. Ich mache unfassbar gute Erfahrungen und kann so ein Praktikum nur weiterempfehlen.“ Dazu zählt sicher auch, dass sie seit ein paar Wochen im Chor der katholischen Gemeinde in Brikama singt – eine Nachbarin hat sie dazu ermutigt. Und so wird Milli, einzige Weiße in der stimmgewaltigen Gemeinschaft, von der Lehrenden zur Lernenden: Nicht alle Lieder werden im Gottesdienst in Englisch gesungen, also muss sie die Lautschrift von Mandinka oder Wolof, zwei der landestypischen Stammessprachen, üben.
Auch das gehöre „zu dem anderen Horizont, den ich hier gewonnen habe“. Den möchte sie im kommenden Frühjahr ausweiten – wenn „ihr“ Kindergarten Wattenscheid in Gambia seinen 40. Geburtstag groß feiern wird.