Wattenscheid. . Gerhard Ruth gründete seine Wattenscheider Schokoladenfabrik vor 50 Jahren. Heute leiten seine Söhne die Firma. Zuvor betrieb er ein Tanzcafé.
Bei Gerhard Ruth (85) drehte sich ein Leben lang alles um Schokolade und Marzipan. Doch anstatt das süße Leben zu genießen, widmete er seine freie Zeit den Aufgaben als Vorsitzender des Vereins „Kindergarten Wattenscheid in Gambia“. Mit viel Herzblut und Schaffenskraft half er in den vergangenen 20 Jahren, die Lebenssituation der Kinder in Gambia zu verbessern. Auf eine Tasse Kaffee traf sich Gerhard Ruth mit der WAZ in der Wattenscheider Redaktion.
Herr Ruth, wo wurden Sie geboren?
Gerhard Ruth: Im Ruhrgebiet, 1932 in Essen-Altenessen. Mein Vater war Bergmann. Vor 55 Jahren bin ich zusammen mit meiner Frau Erika nach Wattenscheid gekommen und wir haben uns hier sofort wohl gefühlt. Unsere Söhne Volker und Detlef führen heute die Firma an der Metternichstraße. Mit unserem Enkel Maximilian folgt jetzt die dritte Generation.
Nach der Schule haben Sie das Konditorhandwerk gelernt?
Nein, nein, ich habe Bäcker gelernt. Nach der Gesellenprüfung 1951 war ich schon fünf Jahre später Bäckermeister. Mein erstes eigenes Geschäft eröffnete ich kurz darauf in Essen an der Ruhr-Allee. Ein paar Jahre später machte ich mich zusammen mit meiner Frau nach Bad Bergzabern auf, um dort ein Tanzcafé zu eröffnen.
Waren Sie schon in der Gastronomie erfolgreich?
Das Lokal war immer brechend voll, Soldaten aus Deutschland, Frankreich und Amerika kamen. Allein die Einnahmen des Zigarettenautomaten deckten die Pachtsumme. Schon damals gab es zur Tasse Kaffee jeweils ein kleines Täfelchen Schokolade dazu. Ach, ich habe vieles gemacht: Eisvorführer und Vertreter von Backrohstoffen. Ich war auch der Schokoladenkönig von Wattenscheid.
Wie wird man eigentlich Schokoladenkönig?
Ich habe Schokolade und Pralinen wie ein Marktschreier direkt von Lkw verkauft. Die WAZ in Wattenscheid gab mir darauf in einem Bericht den Titel „Schokoladenkönig“.
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War das der Grundstein zur Firmengründung?
Noch nicht. Ich war in meinem Leben ständig auf der Suche nach Verbesserungen und neuen Ideen. In den Backstuben sah ich, wie mühsam Marzipanartikel mit einem Pinsel mit Lebensmittelfarbe und mit Kakaobutter bestrichen wurden. Ich kannte einen Chemotechniker, der sich mit Sprühdosen auskannte und wir entwickelten ein Verfahren Lebensmittelfarbe und Kakaobutter auf Marzipan zu sprühen. Damit legte ich den Grundstein für meine Firma.
Das war dann also vor genau 50 Jahren?
Ja. Zunächst als selbstständiger Handelsvertreter, die Marken „Schmink-fix“, „Kabu-fix“ und „Glanz-fix“ gibt es noch heute. Darauf hatte ich Patente. Nach kurzer Zeit wurden Kunden im In- und Ausland auf meine Produkte aufmerksam. Bald stellte ich auch Marzipanformen aus Aluminium her, durch deren Teflonbeschichtung ließen sich jetzt Marzipanfiguren perfekt herstellen.
Können Sie sich noch an Ihren ersten großen Auftrag erinnern?
Der kam aus Japan, ein sehr großer Auftrag. Einhundert Marzipanpressen und hunderte Formen hatten die Japaner bestellt. Ich habe die Pressen und die dazugehörigen Formen selbst gemacht. Wir haben heute Kunden in aller Welt.
Wir kennen Sie auch als aktiven Vorsitzenden des Vereins „Kindergarten Wattenscheid in Gambia“. Wie ist es dazu gekommen?
Seit einigen Tagen bin ich nicht mehr der Vorsitzende. Nach fast 20 Jahren habe ich das Amt abgegeben. Von Gründer Günter Schmitter wurde ich damals nach Gambia eingeladen. Ich habe die Armut mit eigenen Augen gesehen. Beeindruckt hat mich das Verhalten der Kinder. Die Kinder haben alles geteilt, nichts nur für sich behalten. Viele Male war ich seither in Gambia und habe einige Projekte begleitet wie eine Dentalstation und ein neues Lese- und Spielhaus.
Hatten Sie bei Ihren Besuchen in Gambia Schokolade im Gepäck?
Natürlich, 100 Euro Scheine aus Schokolade, mit offizieller Genehmigung der Deutschen Bundesbank in Frankfurt. Zusammen mit Bodyguards wurden die Geldkoffer mit der süßen Währung vor allen Teilnehmern geöffnet.
Privat waren Sie noch Karnevals-Prinz und Sevinghauser Gänsereiter. Was können Sie anderen Menschen mit auf den Weg geben?
Von nichts kommt nichts. Angefangen haben meine Frau und ich damals mit 5000 DM Eigenkapital. Alles haben wir uns hart erarbeitet.