Sevinghausen. . Landwirt Martin Kohlleppel hat der Natur einen Teil seiner Ackerflächen zurückgegeben. Insekten und Vögel sollen dadurch unterstützt werden.
Sie erstrahlen gelb und eifern ihrer Namensgeberin nach: Sonnenblumen säumen die Ränder der Sevinghauser Felder, ziehen die Blicke von Passanten und Radlern sowie Bienen und anderen Insekten auf sich. Genau dafür hat Landwirt Martin Kohlleppel (28) den „Blühstreifen“ Ende April ausgesät. Ein gutes Stück Lebensraum wird der Natur zurückgegeben, die Blüten bieten Nektar, Samen dienen Vögeln als Nahrung, kleine Wildtiere finden Deckung.
Zwölf mehrjährige Komponenten wachsen am Rand der Maisfelder. „Den Streifen habe ich auf rund 2500 Quadratmetern erstmals angelegt“, berichtet Kohlleppel. „Er soll über einen längeren Zeitraum blühen, der Buchweizen machte den Anfang, die lila Phacelia ist fast durch, Klee könnte noch kommen.“ Zeigen Rapsfelder drei bis vier Wochen ihre Farbenpracht, hat die heimische (Klein-)Tierwelt deutlich länger etwas von den Streifen, die auf einem Teil der Ackerfläche angelegt werden.
Auch „Greening“ soll die Natur unterstützen
Bereits seit rund zehn Jahren werde das sogenannte „Greening“ von Landwirten praktiziert, sagt Kohlleppel an: „Bevor im Frühjahr der Mais gesät wird, kommt im Herbst davor eine Zwischenfruchtmischung aus vier Komponenten aufs Feld, die ebenfalls in Blüte geht.“ Dadurch stehe der Natur und den Tiere noch einmal eine zusätzliche, viel größere Fläche zur Verfügung. „Auch diese wird weder geerntet noch behandelt. Die Pflanzen speichern Stickstoff im Boden, bedecken den Acker über den Winter und unterdrücken Unkraut.“
Nicht zuletzt Alfred „WAZ“ Winter war begeistert von der bunten Farbenpracht des Blühstreifens, die ihm bei einer Radtour ins Auge fiel. Die Wattenscheider Foto-Legende drückte natürlich umgehend ab und informierte die Lokalredaktion über die wichtige Maßnahme.
Weitere Blühstreifen sind kurz hinter der Wattenscheider Grenze in Essen zu finden: Dort hat Bauer Ridder einen breiten Streifen Sonnenblumen um den Mais herum gesät, dazu noch weitere gemischte Pflanzen ums Getreide herum. Auch das freut die Bienen, Insekten, Vögel und Co der Region.
Das viel zitierte „Insektensterben“ ist auch bei Kohlleppel Thema. Er sieht darin „viele Ursachen, mit Sicherheit auch die Landwirtschaft, bei weitem aber nicht alleine.“ So zählt er u.a. auch die Faktoren „Versiegelung von Böden“, rund 50 bis 60 Hektar bundesweit – pro Tag – und veränderte Gartenstrukturen auf. Dass nun Maßnahmen für den Schutz ergriffen werden, begrüßt auch Mathias Krisch, erster Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) Bochum: „Viele Insektenarten profitieren davon, wichtig ist die Nachhaltigkeit. Die Blühstreifen, die früher verbreiteter waren, müssten mehrere Jahre beibehalten werden.“
Das plant der Wattenscheider Bauer: „Die Saat ist mehrjährig, wird also wieder, wenn auch nicht so intensiv, austreiben. Zudem möchte ich auch 2019 neue Blühstreifen beim Mais anlegen.“
Ein direkter wirtschaftlicher Nutzen entstehe nicht, sagt Kohlleppel: „Ich ernte nichts, könnte auch nichts verkaufen. Wir möchten Insekten und Vögel fördern, schön wären auch Nützlinge wie Marienkäfer als positiver Nebeneffekt.“ Fraglos sei der Streifen aber ein „Imagegewinn“.
Generell steht der 28-Jährige für eine neue Generation von Landwirten, ließ einer Ausbildung ein Studium der Agrarwirtschaft folgen, bevor er vor zwei Jahren in den elterlichen Betrieb einstieg. Dort bewohnt er nun Wattenscheids „ältestes Haus“ (Baujahr 1721), hat nicht nur die wilde Blütenpracht angelegt, sondern an seinen Feldern auch Infotafeln aufgestellt, um Interessierten die bäuerliche Berufung näherzubringen. „Wir Landwirte tun etwas, sind nicht verschlossen. Allerdings haben wir das gleiche Problem wie Bundestrainer Jogi Löw: es gibt gefühlt 80 Millionen Landwirte und Ideen.“
Risiken durch Spritzmittel sieht Kohlleppel nicht: „Die Blühstreifen sind neben dem Mais angelegt, der nur einmal behandelt wird. Der Spritzfilm gegen Unkraut kommt nur dahin, wo er auch benötigt wird. Bei Wind tragen wir nichts auf, um keinen Abdrift zu riskieren.“ Das werde allein daran deutlich, dass die Streifen mit Unkraut durchzogen seien.