wattenscheid. . Vor 150 Jahren erfolgte der erste Spatenstich für die heutige Propstei St. Gertrud. Kunsthistorikerin Delia Albers blättert in der Baugeschichte.

Auf eine ganz besondere Spurensuche konnten die Besucher der St. Gertrud von Brabant gehen. Exakt 150 Jahre nach dem ersten Spatenstich lud die Kunsthistorikerin Delia Albers zu einem Streifzug durch die Baugeschichte des Gebäudes ein. Allerdings des heutigen und seiner drei Vorläufer, die schon den Mittelpunkt der Siedlung in der Alten Freiheit gebildet hatten, und das seit Beginn der Christianisierung, wohl zu Zeiten des heiligen Bischofs Suitbert, noch vor 800.

Allein die Lage des Gotteshauses gab die Richtung der Entwicklung vor. Die „Wehrkirche“ aus Steinen und Lehm mit Holzdecke und ohne Turm erhob sich auf einem Hügel mit Friedhof und Wall, umgeben von einem Graben. Albers: „Die Breite betrug 8,1, die Länge 14,5 Meter.“ Im 12. Jahrhundert entstand an dieser Stelle eine dreischiffige romanische Basilika mit flacher Decke und einem Querhaus, das heute noch in Ansätzen vor dem Chor erkennbar ist.

Langsamer Wiederaufbau

Nach dem verheerenden Stadtbrand von 1635 sind die nächsten Schritte durch genauere Quellen nachvollziehbar. Langsam ging der Auf- und Neubau voran, die Gemeinde war arm, Materialien und Ausführung waren entsprechend, „Flickwerk“, kommentierte Albers.

Das bisher Romanische wurde „gotisiert“, die dreischiffige Halle erhielt ein gewölbtes Dach, wuchs auf 15,98 Meter Breite und 23,8 Meter Länge. Der Turm war nur im unteren Bereich erhalten, der Neuaufbau ließ ihn auf 26 Meter wachsen, ein Dachhelm kam dazu.

Endgültige Form

Mit der Industrialisierung wuchs die Gemeinde rapide, eine „Reparatur und umfassende Erweiterung“ wurde laut der Quellen nötig. Der fünfschiffige Sandsteinbau konnte allerdings nur noch in der Breite zulegen. Bei genauerer Untersuchung zeigte sich, dass viele Teile nicht erhalten bleiben konnten, selbst das Langhaus wurde abgerissen, 1870 begann der umfassende Neubau. 1904 erhob Papst Pius X. die Kirche zur Propstei. Nach dem Bombenhagel des zweiten Weltkriegs wurde sie in der Schadensklasse „2 b/mittel“ eingeordnet.

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Als architektonisch bemerkenswert schilderte Albers den „Stil-Pluralismus“, der sich allein durch das Anfügen der Seitenschiffe zeige. Der Bau wirke von außen wie eine Basilika, von innen dagegen wie eine Hallenkirche. „In der Zeit des Historismus verbanden sich die Stile“, erläuterte die Historikerin.

Erhalten sind interessante Details: Der Opferstock entstand aus einem Eichenbalken des Glockenstuhls, der vom Stadtbrand verschont blieb. Der Taufstein aus dem Ende des 11. Jahrhunderts wird von vier Löwen getragen. Eine Kopie aus Epoxidharz ist im Stadtarchiv zu sehen.