Wattenscheid. . Mit Verspätung feierten tausende Wattenscheider 1925 ein großes Jubiläumsfest. Umzüge, Festschriften und Darbietungen stärkten das Heimatgefühl.
Die Festtage zu „WAT 600“ sind noch so präsent, das der Nachfolger noch einen drauf packt: „WAT 601“ schickt sich vom 1. bis 3. Juni an, das Jubiläum der Alten Freiheit zu etablieren. Ein Blick zurück zeigt: Heimatgefühle und Feierlust liegen in der Wattenscheider DNA. Heinz-Werner Linke hat nun ein Buch „ausgegraben“, in dem über die „500-Jahrfeier“ berichtet wird.
Der Lokalpolitiker (UWG) erzählt: „Ich habe das Buch ,Wattenscheid: die Freiheit verloren?’ durch Zufall im Regal eines Bekannten entdeckt.“ Autor Horst Ueberhorst (1925 – 2010) war Professor für Sportgeschichte an der Ruhr-Universität und von Geburt an mit der Alten Freiheit verbunden. Sein Vater Paul war Wattenscheider Oberbürgermeister und maßgeblich in die Jubiläumsplanungen und -feiern involviert.
Erste Gespräch im Herbst 1924
Diese begannen mit einigen Jahren Verzögerungen: 1917 wütete der Erste Weltkrieg, an ein Stadtfest war nicht zu denken. In Vergessenheit geriet das „halbe Jahrtausend“ jedoch nicht, wie es Horst Ueberhorst in seinem Buch aufzeigt. Auf Anregung von Bernhard Scholten, Chefredakteur der Wattenscheider Zeitung und treibende Kraft der Heimatbewegung, begannen im Herbst 1924 Gespräche zur Vorbereitung des Jubiläums.
Enge Beziehung zwischen Amt und Stadt
Die Eingemeindung war auch damals schon ein Thema: Scholten und Verleger Karl Busch wollten mit der Feier die enge Beziehung zwischen Amt und Stadt hervorheben. Da sich die Frage der Eingemeindung in Kürze stellen würde, fanden sie bei Bürgermeister Ueberhorst und Heimatforscher Eduard Schulte volle Unterstützung. Für Linke ein zusätzlicher interessanter Punkt: „Es zeigt, dass schon damals, wenn auch in einem anderen Zusammenhang, über die Eingemeindung diskutiert wurde.“
Heimatforscher Schulte bereitete eine „eindrucksvolle historische Ausstellung und einen Festband“ vor, entwarf zudem mit 25 Wagenbildern einen von drei Teilen des großen Festzuges. Bereits im Januar 1925 veröffentlichte die Wattenscheider Zeitung das vorläufige Festprogramm für die Feierwoche ab dem 20. Juni und traf damit auf eine Resonanz, die „vom tiefen Heimatgefühl in allen Kreisen“ gezeugt habe.
Wetter war auch 1925 nicht feierlich
Der damalige Wattenscheider Verkehrsverein führte Werbeaktionen durch und Leser forderten, motiviert durch das nahende Ereignis, eine „Sportanlage für Großveranstaltungen“. Auf das Lohrheidestadion musste man freilich dennoch noch knapp 30 Jahre warten. Schon damals galt jedoch auch: das Wetter ist nicht planbar. „Zehntausende aus dem Industriegebiet“, die sich den Festzug im Juni 1925 anschauen kamen, wurden von „Regengüssen überschüttet“.
Nach dem Auftakt mit Festreden, einem Fackelzug aus tausenden Mitgliedern der Vereine aus Stadt und Amt folgten Volkstänze, Aufführungen heimatlicher Bräuche, Darstellungen von Sagen und Geschichten, Volks-, Jugend- und Puppenspiele und zahlreiche Gesangseinlagen.
Nachhall sorgt für Freiheit
Die lokale und benachbarte Presse würdigte das Fest als „glänzend gelungen und vorbildlich“. Regierungspräsident König (Arnsberg) machte Hoffnungen, dass den „Wattenscheider Eingemeindungswünschen Rechnung getragen werde“ bei der anstehenden Entscheidung der preußischen Regierung.
Die Wattenscheider Zeitung urteilte in einer zweiten Festschrift am 27. Juni 1925: „Wattenscheid habe durch seine Selbstdarstellung im Rahmen der Festwoche bewiesen, dass es keine zurückgebliebene, eingemeindungsbedürftige Kleinstadt sei, sondern eine aufstrebende heimat- und geschichtsbewusste Mittelstadt.“
Der Nachhall reichte bis ins nächste Jahr: Am 1. April 1926 wurde Wattenscheid durch die Eingemeindung eine kreisfreie Stadt mit 62 780 Einwohnern.
Mit Blick auf „Wat 601“ unterstreicht Heinz-Werner Linke die heutige Bedeutung: „Das Fest wird der Wattenscheider Kaufmannschaft zugutekommen. Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass verkaufsoffene Sonntage wichtig für unsere Innenstadt sind.“