Wattenscheid. . Evangelische und katholische Gemeinden laden zur „offenen Nacht“ in die Innenstadt. Ökumenische Feier nimmt Gemeinsamkeiten in den Fokus.

500 Jahre sind vergangen, seit Martin Luther seine 95 Thesen an die Schlosskirche Wittenberg geschlagen hat. Das Ereignis steht symbolisch für die Trennung des Christentums in evangelische und katholische Gemeinden. Zum Jubiläum setzen diese nun mehr als nur ein Zeichen und leben vor, wie viel sich in einem halben Jahrtausend wieder geändert hat: Die Nacht zwischen Reformationstag (31. Oktober) und Allerheiligen (1. November) ist geprägt von der Ökumene, die Kirche rückt zusammen.

Wattenscheider gehen voran

„So etwas hat es in dieser Form noch nicht gegeben“, sagt Pfarrer Uwe Gerstenkorn, evangelische Kirchengemeinde Wattenscheid (ekiwa). „Aus allen Stadtteilen Wattenscheids bereiten evangelische und katholische Helfer die Veranstaltung vor. Nicht nur für ganz Bochum, überhaupt ist es ein starkes Zeichen, die Ökumene zu praktizieren, statt nur über sie zu reden.“ Seit vielen Jahren arbeite man in der Hellwegstadt gut und eng zusammen. Gerstenkorn konkretisiert: „Schon bei den Grundlagen ist es sehr vielschichtig, nicht nur öffentlichkeitswirksam. Es gibt keine Trennung, das funktioniert mit uns nicht mehr.“

Selbst die Nachbarstädte nehmen diese „Selbstverständlichkeit der Ökumene“ anerkennend wahr, die von gemeinsamer Gebäudenutzung über Flüchtlingsarbeit bis hin zum geeinten Schulgottesdienst reicht. Und in Zukunft noch weiter ausgebaut werden soll.

„Offene ökumenische Nacht“ reformiert die Herzen

Verdeutlichen soll dies die „Reformation des Herzens“, eine offene ökumenische Nacht der Gemeinden, die am Mittwoch (31. Oktober) um 20 Uhr musikalisch auf dem Alten Markt beginnt. Programm wird – ganz im Zeichen der Einheit – ab 20.30 Uhr jeweils für eine Stunde sowohl in der katholischen Propsteikirche St. Gertrud als auch in der evangelischen Alten Kirche geboten. Besucher können so jederzeit in die Feierlichkeiten einsteigen und in die vielen Aktionen – z.B. Gespräche über biblische Texte, Büchertisch, Imbiss (Foyer ev. Gemeindezentrum), Lutherausstellung (Propsteikirche) – hineinschnuppern oder zwischen den Orten wechseln. „Bewusst niederschwellig“ seien die Veranstaltungen konzipiert, beschreibt Pfarrer Frank Dressler (ekiwa) das Angebot, das den Austausch verstärken soll.

Kirchen erleuchten die Alte Freiheit

Das gemeinsame Fest wird Wattenscheid erleuchten – symbolisch und wahrhaftig. Friedenskirche, Propsteikirche und Alte Kirche werden in Licht gehüllt und zu strahlenden Säulen der Ökumene. Vom Marktplatz aus, dem historischen Ort, der seit 600 Jahren das Zentrum der Ortschaft ist, werden viele Blicke gen Himmel gehen, das lebendige Geschehen im Innern der Kirchen auch von außen sichtbar sein.

In ganz NRW beteiligen sich 47 evangelische und katholische Kirchen und Gemeinden an dem konfessionsübergreifenden Projekt, das zudem Botschaften, Fragen und Thesen aufleuchten lässt. Pfarrerin Monika Vogt (ekiwa) erklärt den geschichtsträchtigen Gedanken der Aktion: „500 Jahre nachdem Luther eine Kirche als Projektionswand seiner Thesen genutzt hat, schreiben wir Worte auf die Türme und Außenwände. Auf diese Weise laden wir Menschen an diesem besonderen Abend ein.“

Das Reformationsfest am 31. Oktober zum großen Jubiläum wird in den evangelischen Gemeinden bereits ab 10 Uhr gefeiert. Ein Bericht folgt in den nächsten Tagen.

Leuchtende Linie verbindet Kirchen

Die Verbindung wird zusätzlich durch ein „blaues Band“ symbolisiert. Eine leuchtende Linie wird die beiden Kirchen über den zentralen Marktplatz hinweg einen. Das Band steht dabei für die Taufe, die beide Konfessionen auch ganz praktisch miteinander verbindet.

Die festliche Nacht gipfelt schließlich von 23 Uhr bis Mitternacht in einem gemeinsamen Taizé-Gottesdienst in der Propsteikirche, der um den über 1000 Jahre alten Figurentaufstein stattfinden wird. Womöglich sei dieser der älteste seiner Art und Größe nördlich der Alpen. Und: „Der Taufstein ist älter als die Trennung der Konfessionen“, weist die katholische Gemeindereferentin Gertrude Knepper auf eine weitere symbolträchtige Besonderheit hin.