Die Jugend ist politikverdrossen, sie geht nicht wählen und interessiert sich für nichts. Politiker antworten nicht auf die gestellten Fragen und reden viel zu viel.

Diese und andere Vorurteile galt es gestern bei einer Podiumsdiskussion an der Kaufmännischen Schule 2 mit vier Politikern beiseite zu räumen.

Knapp 70 Schüler im besten Erstwähleralter (18 bis 20 Jahre) aus drei Klassen waren in die alte Schmiede der Schule gekommen, um die Politiker auf Herz und Nieren zu prüfen. Miriam, Jessica und Louisa haben mit ihren 19 Jahren klare Vorstellung von der Diskussionsrunde: „Das wird so wie beim Kanzler-Duell am Sonntag, die Fragen werden nicht konkret beantwortet und dauern Ewigkeiten.”

Berufsschülern im Gespräch mit Bundestagswahlkandidaten. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ
Berufsschülern im Gespräch mit Bundestagswahlkandidaten. Foto: Karl Gatzmanga / WAZ © WAZ FotoPool

Im Unterricht haben die Schüler die Diskussion mit Frithjof Schmidt von den Grünen, Axel Schäfer von der SPD, Ingrid Fischbach von der CDU und Markus Selzener von der FDP gründlich vorbereitet. Sie haben Wahlprogramme verglichen und einen Fragenkatalog aufgestellt. Nur beim Duell im Fernsehen, da haben viele von ihnen die Notbremse gezogen. „Sie haben reingeschaut und dann ganz schnell weggeschaltet”, fasst der Lehrer Tobias Meier die Eindrücke seiner Klasse zusammen. „Das war mir zu emotionslos”, sagt auch Jessica Weingart, die trotzdem bis zum Ende durchgehalten hat.

Besonders wichtig sind für die Schüler der Kaufmännischen Schule Themen wie Bildung, Gesundheit und Wirtschaft. Klimawandel und erneuerbare Energie spielten in der Diskussion am Dienstag nur eine Nebenrolle. „Natürlich ist uns das auch wichtig”, erklärt Louisa Frömmgen, „Aber uns ist eben auch wichtig, wie es mit uns weitergeht. Dass wir Geld verdienen und leben können.”

Für Louisa, Jessica, Miriam und Jan-Niklas steht fest, dass sie am 27. September zur Wahl gehen. Sie schätzen, dass mehr als die Hälfte ihrer Mitschüler ebenfalls ihre Stimme abgeben wird. „Bei der Kommunalwahl haben fast alle von uns gewählt”, erinnert sich Jessica Weingart. Wem sie aber ihre Stimme geben werden, wissen sie noch nicht. Daran hat auch die Diskussionsrunde nichts geändert. „Irgendwie stimmt man mit jeder Partei in ein paar Punkten überein”, ist der Tenor der Schüler. „Mir haben klare Aussagen zu bestimmten Themen gefehlt. Da ist vieles schwammig geblieben”, sagt Louisa Frömmgen und ärgert sich über pauschale Aussagen zur Umschichtung des Solidaritätszuschlages und zum Gesundheitssystem. „Aber besser als das Duell im Fernsehen war es allemal. Es war spannender, weil mehr diskutiert wurde.”

Tatsächlich hielten sich die vier Volksvertreter meist an die Redezeit von zwei Minuten und fassten sich kurz. Sie legten parteipolitische Unterschiede dar, garniert mit ein paar Seitenhieben zum Wahlprogramm der Konkurrenten, gleichzeitig arbeiteten sie aber auch Gemeinsamkeiten heraus. Auch über die rege Teilnahme der Schüler waren die vier Politiker erfreut. „Für uns ist es wichtig, dass wir uns den Problemen und Fragen der Schüler stellen und in so einem Rahmen auf Interesse stoßen”, waren sich die Volksvertreter der vier großen Parteien einig.

Für die Organisatoren Birgit Friedrich und Tobias Meier von der Kaufmännischen Schule 2 ging es in der Veranstaltung hauptsächlich um eines: „Wir wollen die Schüler zum Wählen bewegen. Nur so können sie etwas bewegen.”