Ihre Gefühle beim ersten Wiedersehen auf dem Flughafen Düsseldorf? „Unbeschreiblich“, haucht Nahed Alessa mit Tränen in den Augen. Sie wird ihn nie vergessen, jenen Montag Mitte September, an dem sie ihre beiden Kinder nach über einem Jahr wieder in die Arme schließen konnte: das glückliche Ende einer Flucht, die die Syrerin nach einer wahren Odyssee in diese Stadt geführt hat. „Und hier“, lächelt sie, „will ich gerne bleiben.“

Mut machen, Verständnis für Flüchtlinge wecken: Das will die 33-Jährige mit ihrer Geschichte, die in Damaskus beginnt und von Verzweiflung und Todesangst, aber auch Tapferkeit und Glück erzählt.

Erste Flucht endet in Kairo

Es ist 2013. Längst hat der Horror des Bürgerkrieges die syrische Hauptstadt erfasst. Damaskus: die Heimat von Nahed Alessa. „Heute eine Stadt ohne Zukunft und Frieden“, trauert die Physiotherapeutin. Sie zahlt 15 000 Euro an einen Schlepper, um mit ihrer Tochter Naya (3) und Sohn Kays (5) den Bomben zu entkommen. Die Flucht endet bei einer Kontrolle in Kairo. Die Familie muss zurück. Hat alles verloren. Geld. Hoffnung. Den Vater, einen Palästinenser, der Frau und Kinder verlässt.

Zwei Jahre später macht sich Nahed Alessa erneut auf den Weg. Es zerbricht ihr das Herz. Aber diesmal lässt sie die Kinder bei ihrer besten Freundin zurück. Sie will kein Risiko eingehen, es zunächst alleine schaffen – und ihre Liebsten schnellstmöglich nachholen. Verwandte und Freunde kratzen ein Vermögen für den nächsten Schlepper zusammen.

In einem vollbesetzten Schlauchboot will sie von der Türkei nach Griechenland übersetzen. Nach einer 60-stündiger Irrfahrt werden die Flüchtlinge von einem Fischerboot zurück an die Küste gezogen. Erst bei der zweiten, ebenso lebensgefährlichen Flucht über das Meer erreicht die Sunnitin das „gelobte Land“, wie Europa in ihrer Heimat immer wieder verklärt wird.

Ehrenamtler leistet Unterstützung

Wochenlang ist sie – meist zu Fuß – in Richtung Norden unterwegs. Im September 2015 ist sie am Ziel: Deutschland! Kein gelobtes Land. Aber endlich der sichere Hafen, von dem Nahed Alessa geträumt hat. Die Anerkennung als Flüchtling ist schnell erlangt. In einer Unterkunft in Mecklenburg-Vorpommern fragt sie sich: Wo hätten meine Kinder die beste Zukunft? Im Internet stößt sie auf Bochum. „So viele Hochschulen, die Universität: eine Stadt der Bildung.“

Seit Januar lebt die Syrerin hier, besucht Sprach- und Integrationskurse. Mit Unterstützung von Jürgen Birkholz (69), der sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagiert, hat sie den Kampf um ihre Kinder aufgenommen – und gewonnen.

Nach unendlichen bürokratischen Hindernissen ist die Familienzusammenführung gelungen. Vor einem Monat landeten Naya (inzwischen 6) und Kays (8) in Düsseldorf. „Unbeschreiblich“, sagt Nahed Alessa in schon hervorragendem Deutsch.

Die Kinder haben kurz vor den Herbstferien einige Tage eine Grundschule hier besucht. Sonnenschein Naya kam am ersten Tag mit einer prall gefüllten Tüte nach Hause. Stifte, Glanzbilder und vieles mehr: ein Willkommensgeschenk der Schule. Diesmal weinten Mama und Tochter. Vor Glück.