Nach Leserkritik am Zustand mancher Grabstätten besuchte die WAZ mit Verwalter und Propst den Propstei-Friedhof. Allerheiligen ist der wichtigste Tag

Die höchsten Feiertage des Jahres Jahr im christlichen Abendland? Weihnachten, Ostern. Und für die Friedhofsverwaltungen, vor allem die konfessioneller Art: Allerheiligen, 1. November. Noch ist es ein paar Wochen hin, doch jetzt schon sind Gärtnereien und Friedhofsleitungen dabei, den Ort, an dem Angehörige ihrer Verstorbenen ganz besonders gedenken und auf dem Friedhof besuchen auf Hochglanz zu bringen.

Um den Tag „Allerheiligen“ rankt sich aber auch die Milde und die Hoffnung so mancher Friedhofsverwaltungen, dass Hinterbliebene sich um das Grab ihrer Verstorbenen kümmern und es nicht weiter verwahrlosen lassen. Ein Beispiel vom Propstei-Friedhof.

Vor einigen Wochen meldete sich in der WAZ-Serie „WAT schön – WAT schäbig“ ein Leser zu Wort, der den Zustand mancher Gräber auf dem Propstei-Friedhof mächtig beanstandet hat. Grund genug für die WAZ, mit Friedhofsleiter Werner Walbröl und Propst Werner Plantzen die Ruhestätte am Gertrudenhof/An der Papenburg zu besuchen.

Manche Briefe kommen zurück

Idyllisch ist es, wahrhaft ein Ort der Ruhe. Auch wenn jetzt schon Friedhofsgärtnereien emsig am Werk sind, Erika-Heide auf die Gräber zu setzen. Und ja, es gibt sie, die verwahrlosten Grabstätten, auf denen wild angesiedelte Sträucher vor sich hin wachsen, Unkraut wuchert und Gräser immer höher werden. „Wir haben hier kaum eine Handhabe“ sagt Friedhofsleiter Werner Walbröl. „Wir schreiben die Angehörigen, ungefähr 20 pro Jahr, an, mahnen und hoffen auf Antwort. Fünf bis sechs von ihnen reagieren. Der Rest nicht. Manche Briefe kommen als unzustellbar zurück.“

Kaum eine Handhabe

Hier wird Allerheiligen zum Stichtag. Walbröl: „Es gibt Hinterbliebene, die sich nur rund um diesen Tag um das Grab kümmern.“ Ab und an steckt der Friedhofsverwalter auch kleine Schilder in die Grabstätte: „Bitte beim Friedhofsleiter melden.“ Was nichts anderes bedeutet, als dass das entsprechende Grab ungepflegt ist.

Gebühren werden pro Jahr der verbleibenden Ruhefrist erhoben

Auf kommunalen, sprich städtischen Friedhöfen gibt es ebenfalls Regeln: Die Friedhofssatzung der Stadt Bochum legt fest, welche Grabtypen wie durch Angehörige zu pflegen sind bzw. wie groß Pflanzen und Gehölze sein dürfen. Gräber, die nicht der Satzung entsprechend gepflegt sind, werden bei den mindestens zwei Mal pro Jahr stattfindenden Kontrollen digital erfasst und fotografiert. Die Angehörigen erhalten anschließend Zeit, diese wieder in einen gepflegten Zustand zu versetzen bzw. jemanden damit zu beauftragen.

Die Gräber im Amtsblatt bekannt gegeben bzw. bei bekannten Adressdaten werden Angehörige letztmalig angeschrieben mit der Folge, dass – nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist von einem Monat – die Rechte an den Grabstätten entzogen sind und die Gräber anschließend abgeräumt und eingeebnet werden. In Fällen noch laufender Ruhezeiten, kommen anschließend Gebühren pro Jahr der verbleibenden Ruhefrist auf die Angehörigen zu. Wenn eine Grabstätte länger als ein Jahr nachweislich nicht gepflegt wurde, droht schließlich als letzte Möglichkeit der Entzug der Rechte und in Folge dessen eine Einebnung der Grabstelle. In 2015 sind die Rechte an rund 420 Grabstätten (von ca. 60 000 Gräbern insgesamt) entzogen worden, weil sie über ein Jahr lang ungepflegt geblieben sind.

Nun, welche Handhabe hat die Friedhofsverwaltung, denen beizukommen, die sich nicht kümmern? „So gut wie keine“, sagt Walbröl. „Denn die Gräber auf dem Propstei-Friedhof sind für 30 Jahre gekauft, damit haben die Angehörigen auch eine Verpflichtung von 30 Jahren.“ Auf dem katholischen Friedhof in Höntrop beträgt die Laufzeit 25 Jahre. „Das liegt an der Bodenbeschaffenheit“, erklärt Walbröl.

Dennoch, Eigentum verpflichtet eben. Angehörige könnten auch nach 20 Jahren kundtun, dass sie sich nicht mehr kümmern wollen. Walbröl: „Dann könnten wir anbieten, dass wir die restlichen zehn Jahre das Grab mähen und es so gut es geht sauber halten. Das kostet 50 Euro pro Jahr. Die Hinterbliebenen müssten die Summe für zehn Jahre – also insgesamt 500 Euro – aber auf einen Schlag bezahlen.“ Das wollen viele nicht.

Teilanonyme Bestattungen

Laut Walbröl und Propst Planzten sei der Wunsch nach einer großen Familiengruft seit Jahren rückläufig. Deshalb haben sich Friedhofsverwaltung- und Ausschuss längst um Alternativen bemüht: teilanonyme Erd- und Urnenbestattungen. Das bedeutet, dass der Verstorbene in einem Gemeinschaftsfeld mit eigenem Grabstein, auf dem Name, Geburts- und Todestag stehen, beerdigt wird. Das Grab ist für den Angehörigen weitestgehend pflegefrei. Propst Plantzen: „Von dieser Möglichkeit machen mittlerweile viele Menschen Gebrauch. Diese Grabform gibt es auch für Eheleute.“

Zahl der Urnenbeisetzungen steigt

Die sogenannte teilanonyme Sargbestattung kostet für eine Einzelperson rund 2900 Euro (für Eheleute rund 6600 Euro), die teilanonyme Urnenbestattung 1700 Euro (für 3400 Euro). Für eine Sargbestattung in einer Reihengrabstätte sind pro Person 1750 Euro und für eine Urnenbestattung im Reihengrab 1200 Euro zu bezahlen.

Die Zahl der Beerdigungen auf dem Propstei-Friedhof werde nicht weniger. Pro Jahr seien es, so Walbröl, zwischen 160 und 170 Beerdigungen. In den vergangenen acht Jahren sei sogar ein Bestattungszuwachs zu verzeichnen, was an den geburtenstarken Jahrgängen liege. Rund 80 bis 100 Erdbestattungen (mit Sarg) und 60 bis 80 Urnenbeisetzungen kommen im Jahr zusammen. Insgesamt gibt es auf dem Propstei-Friedhof rund 4000 Grabstätten. Die Zahl der „pflegefreien, teilanonymen“ Gräber habe seit 2001 – als die Möglichkeit eingerichtet wurde – enorm zugenommen. Wie lange Walbröl schon auf dem Propstei-Friedhof arbeitet? „Jetzt das 16. Allerheiligen.“