Wattenscheid. Gemeindemitglieder und Bürger besichtigen am Wochenende noch einmal das Ludwig-Steil-Haus. Alte Dokumente, Videos und Fotos als Erinnerungen. Zukünftige Nutzung weiterhin ungeklärt.
„Den lauten Abschied haben wir mit dem Konzert am 7. November gefeiert. An diesem Wochenende möchten wir allen die Möglichkeit bieten, sich im Leisen und Besinnlichen zu verabschieden“, erklärte Pfarrer Frank Dressler das allerletzte Öffnen der Türen des Ludwig-Steil-Hauses (LSH) für die Gemeinde und Interessierte. Genutzt wurde das Angebot bereits am Samstag zahlreich, die Verbundenheit scheint mit den Jahren keinesfalls abgenommen zu haben.
Konfirmand der ersten Stunde
Hans-Jürgen Brandt (72) findet sich sofort zurecht: „Hier drinnen hat sich im Prinzip ja wenig verändert.“ Brandt ist Konfirmand der ersten Stunde, gehörte zu einer Gruppe von ca. 40 bis 50 Jugendlichen, die im März 1957 erstmals im Ludwig-Steil-Haus ihre Taufe persönlich bestätigten. „Damals waren die Stufen noch voll“, erinnert er sich lachend an das „Gedränge“ auf der Treppe. Fast sechs Jahrzehnte sind seit der ersten Segenshandlung vergangen, „in denen das Haus das Leben der Stadt mitgeprägt hat. Ein stillschweigender Abschied würde diesem Einfluss nicht gerecht werden“, findet Dressler.
Wandel im Miteinander
Gestaltet hat das Ludwig-Steil-Haus allein schon die Namensgebung. Als am 16. Dezember 1956, dem dritten Advent, die Eröffnung ab 9.30 Uhr feierlich begangen wurde, fanden sich die Gäste noch in der Freiligrathstraße ein. Nach der Eingemeindung 1975 orientierte man sich bei der Umbenennung in Ludwig-Steil-Straße am bestehenden Gemeindehaus. Fotos, Dokumente, Videos und alte Zeitungsberichte erinnern an die vergangenen 58 Jahre, Veranstaltungen, Neuerungen und auch den Wandeln, der u.a. durch die heutige Ausrichtung des Kirchraums symbolisiert wird. „Da wir als Gemeinschaft unterwegs sind, haben wir uns von der frontalen Struktur und somit der Trennung zwischen Pfarrer und Gemeinde verabschiedet“, erklärt Dressler. Der neue Kirchraum sei offener, kommunikativer, ein Anspruch, der „genau wie unsere Live-Kirchenmusik und die Verknüpfung der Gottesdienste mit aktuellen Themen natürlich auch am Alten Markt fortgeführt wird.“
Finaler Gottesdienst im vollen Kirchsaal
Für einen gebührenden Abschied sorgte zudem der letzte Gottesdienst im LSH unter der Leitung von Superintendent Rüdiger Höcker, Pfarrerin Monika Vogt und Pfarrer Frank Dressler.
Am heutigen Sonntag verfolgten die vielen Kirchgänger auch die Entwidmung einiger Gegenstände, die am nächsten Sonntag, 11. Januar, ab 10 Uhr feierlichen Einzug in das neue Zentrum am Alten Markt finden werden: Mit versilbertem Kreuz, Taufbecken, zwei Kerzen, Bibel (1956 Einweihungsgeschenk des damaligen Präses Wilm), Rabe Ludwig (der seit nunmehr zehn Jahren den Kindergottesdienst begleitet) sowie „Kinderkreuz“ und Geburtstagskisten für die kleinen Kirchgänger wird die Gemeinde im Anschluss an den Gottesdienst von der Friedenskirche über den Marktplatz bis hin zum neuen Zentrum ziehen.
Am 19. Januar findet dort dann erstmals um 11 Uhr im großen Saal ein Gottesdienst statt. Die Eröffnung der Kirche erhofft sich Dressler „um Ostern herum.“
Diesen Übergang und die gleichzeitige Verbundenheit der alten und neuen Stätte versinnbildlicht die Geschichte von Thorsten Schmidt (46). Er kam am Samstag ins LSH, da dort 1966 seine Eltern geheiratet haben: „Ich selbst wurde allerdings in der Kirche am Alten Markt getauft.“
Zukünftige Nutzung bleibt fraglich
Während dort auch die Zukunft der Gemeinde liegt, bleibt die Nutzung des LSH weiter ungewiss. Der „problematische“ Eintrag in die Denkmalliste – das LSH charakterisiert die deutsche Nachkriegsarchitektur der 1950er Jahre – erschwere die Suche nach einem neuen Besitzer erheblich. „Die Vermarktung hat im Mai 2014 begonnen. Sollte bis Ende März noch immer keine Lösung in Sicht sein, werden wir uns noch einmal mit der Stadt zusammensetzen und mögliche Lockerungen der Statuten besprechen“, hofft Dressler.