Marl. Seit etwas mehr als einem Monat lädt der Künstler Mischa Kuball mit seiner Installation Les Fleurs du Mal Blumen für Marl Marler Bürger ein, an einem Kunstprojekt mitzuwirken, indem sie ganz praktisch Blumen in die Vase am Fuß der Rathaustreppe stellen. Am 1. Mai durften es gern rote Nelken sein.
Ist die Idee, sich aktiv an Kunst zu beteiligen und die Stadt unter neuen Aspekten zu betrachten, bei den Marlern angekommen? Warum sollen jetzt rote Nelken in der Vase?
Mischa Kuball: Vor ein paar Tagen erreichte mich eine E-Mail aus Marl: "... zum ersten Mal ist die Vase leer - keine frischen Blumen." Ich schrieb zurück: Vor sechs Wochen gab es noch keine Vase! Es steht für mich symbolisch für den eingegangenen Prozess in der Stadt - die Leute kommen, sehen und handeln, im Bewusstsein für ihre Stadt. Das ist Teil der Idee des Museums und Teil meiner Geste an die Stadt Marl.
Welche Aktionen mit Bürgern sind in den nächsten Monaten geplant?
Wir haben uns in den letzten Wochen mit sehr unterschiedlichen Gruppen in Marl getroffen. Mich hat sehr berührt, wie viel spürbare Sorge aber auch Interesse an Veränderung im Sinne "einer besseren Stadt" in Marl abrufbar ist. Das wollen wir jetzt auch zum Anlass nehmen und mit der Marler VHS auf Initiative von Stefanie Röttger am 2. Juli einen ganztägigen Workshop veranstalten.
Übersetzt bedeutet der Schriftzug am Rathaus "Les Fleurs du Mal" "Die Blumen des Bösen". Hat jemand Anstoß genommen, dass diese Worte ausgerechnet am Rathaus leuchten?
Eine interessante Frage, die ja von Anbeginn auch immer wieder an das Projekt gestellt wurde: Kann und darf man an das Marler Rathaus "Die Blumen des Bösen" mit Leuchtschrift weithin sichtbar schreiben? Gibt man nicht sich und die politische Führung der Ironie preis ... ? Das Gegenteil scheint der Fall. Es werden Stimmen deutlich, die sagen, hier wird auf den nötigen Sinneswandel in der Stadt hingewiesen. Die Stadt braucht mehr bürgerschaftliches Engagement, alle sind gefragt. In einer Diskussion mit Schülern der Klasse 6b der Willy-Brandt-Gesamtschule kam die Idee auf, dass manchmal Blumen mit ihren Farben und ihrem Duft betören und zum Beispiel Insekten anlocken - aber in Wahrheit giftig sind! Das ist doch eine Form der Sensibilität, die auf eine andere Wahrnehmung auch von Stadt abzielt.
Was nehmen Sie selbst aus diesem Kunstprojekt mit- und was haben Sie bei ihren Begegnungen in der Stadt über Marl gelernt?
Ich bin noch mittendrin, mitten in der Frage, welche Rolle übernimmt das Museum außerhalb der eigenen Wände in der Entwicklung eines neuen Stadtbegriffs? Das Besondere an Marl - und das hat mich wirklich sehr positiv eingenommen - ist, dass die Menschen auch richtig dran bleiben, wenn sie sich für eine Idee entscheiden. Marl ist eben zu so einem selbstkritischen Kommentar fähig, der ja auch sagt, schaut her, es ist nicht alles "rosig" hier bei uns. Aber wir packen es an! Man sollte nicht alles auf fehlende finanzielle Mittel schieben. Ideen können andere Mittel freisetzen!
Bis Ende des Jahres soll Mischa Kuballs interaktives Kunstprojekt "Les Fleurs du Mal - Blumen für Marl" unter Beteiligung der Marler Bürger fortgesetzt werden. Die Marler Zeitung berichtet über Aktionen und Diskussionen zum Thema.