Recklinghausen. .

Liana Fix ist auf der Durchreise. Kurz vor Weihnachten kam sie aus London zurück in ihr Elternhaus in Stuckenbusch, ausgezeichnet mit einem Master-Abschluss an der angesehenen London School of Economics and Political Science (LSE). Sie blieb einige Tage, war dann in Genf und Berlin, wo sie in einer Studenten-WG am Prenzlauer Berg wohnt, und sitzt nach drei Monaten in der georgischen Hauptstadt Tiflis nun schon wieder auf gepackten Koffern.

Nur eine Durchgangsstation

In Moskau wird die 25-Jährige demnächst arbeiten – bei einem US-amerikanischen Think Tank, dem Moscow Carnegie Center, das sich für die Verbesserung der Beziehungen zwischen Russland und der USA einsetzt. „Gerade jetzt, nach den Anschlägen in Boston, wird das besonders interessant sein, da nun beide Länder ein Problem mit tschetschenisch-stämmigen Terroristen haben“, sagt sie.

Aber auch Moskau wird nur eine Durchgangsstation sein. Noch ist die junge Frau in der Ausbildung. Irgendwann wird sie womöglich länger in Russlands Hauptstadt bleiben. Vielleicht sogar als Botschafterin. Liana Fix ist Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes und der Stiftung Mercator. Eine von 20 hochqualifizierten Hochschulabsolventen, die jährlich gefördert und in Kooperation mit dem Auswärtigen Amt auf Führungsaufgaben in internationalen Organisationen vorbereitet werden. Eine Elitestudentin, die das 13-monatige Mercator-Programm als „Crashkurs in internationaler Diplomatie“ bezeichnet und die beste Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat. Denn: Wer die LSE erfolgreich abschließt, „dem stehen alle Türen offen“.

Elitär kommt die Recklinghäuserin aber überhaupt nicht daher. Freundlich und bescheiden tritt die junge Frau auf, die fließend Russisch, Englisch, Französisch und ein bisschen Schwedisch spricht. Sie steht zwar erst am Anfang ihrer beruflichen Karriere, hat aber schon Erstaunliches geleistet.

Außergewöhnliche Begegnung

Das vielleicht Außergewöhnlichste hat sie vor einigen Monaten erlebt, als sie in Moskau am Rande des 12. Petersburger Dialogs Michail Gorbatschow traf. Jenen Mann, der Ende der 1980er Jahre die Sowjetunion für die Welt öffnete und der auch das Leben der Familie Fix änderte. „Ich habe ihm gesagt, er habe dafür gesorgt, dass meine Familie nach Deutschland ausreisen konnte“, erinnert sich Liana Fix an das kurze Treffen mit einem der einst mächtigsten Männer der Erde. Weil er Glasnost und Perestroika möglich machte, konnte Familie Fix aus dem fernen Karaganda in Kasachstan nach Deutschland ausreisen. Das war vor 23 Jahren.

Gut zwei Jahrzehnte später stand sie vor dem Mann, dem sie letztlich die Chance verdankt, ihr Leben frei zu gestalten. „Ich war ziemlich nervös“, gesteht sie. Aber Gorbatschow sei freundlich und sehr interessiert gewesen. Ein erhebender Moment für die junge Frau, die mittlerweile schon viele wichtige und mächtige Menschen getroffen hat. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Eindruck: „Sie war cool, aber auch sehr nett“.

„Die Ausbildung bei uns ist gut“

Als Familie Fix 1990 aus Karaganda nach Deutschland kam, begann die Familie bei Null. Mit fünf wurde Liana eingeschult. „Sie wollte unbedingt lesen lernen“, erinnert sich ihr Vater Eugen Fix. Liana und ihre zwei Jahre ältere Schwester Xenia kamen in die Anne-Frank-Schule in Suderwich, wohnten später mit ihren Eltern an der Blumenthalallee, besuchten das Petrinum und studierten in Bochum. Ein Musterbeispiel für gelungene Integration.

Das deutsche Bildungssystem lobt Liana Fix. „Die Ausbildung ist sehr gut. Wer an der London School bestehen will, muss nicht in Harvard angefangen haben.“ Geholfen habe ihr die Unterstützung durch Stiftungen: erst der Friedrich-Ebert- und nun der Mercator-Stiftung. Sie machen es möglich, den Weg in die Internationale Politikanalyse fortzusetzen, nachdem die Uni-Absolventin in der Abteilung Internationale Politik bei der Körber-Stiftung erste Berufserfahrung gesammelt hat. In ihrem Kollegjahr beschäftigt sie sich mit integrativen Strategien europäischer und transatlantischer Russlandpolitik und schickt dafür Berichte nach Brüssel.

„Ein Land, zwei Gesichter“

„Der Aufenthalt in Georgien bei der Botschaft der EU war eine wunderbare Erfahrung. Das kleine Land am Schwarzen Meer ist ein Kleinod“, schreibt Liana Fix schwärmerisch in einer Mail an die WAZ-Redaktion. Die kaukasischen Berge wechselten sich ab mit wunderschönen Landschaften, Weinfeldern und orthodoxen Klöstern. „Milde Temperaturen und die Herzlichkeit der Georgier machen es zu einem tollen Urlaubsland.“ Gleichzeitig sei es bedrückend die Narben zu sehen, die der georgisch-russische Krieg von 2008 hinterlassen habe. Liana Fix besuchte Lager für Binnenvertriebene, die mit deutscher und europäischer Hilfe aufgebaut wurden.

Überrascht ist sie von der großen Wertschätzung der Georgier für die Europäische Union. Während im Westen vor allem über Finanzkrise und Bürokratie gesprochen wird, gehe es in Georgien um die existenziellen Fragen. „Manche Taxifahrer fingen sogar an, sich bei mir persönlich zu bedanken, als ich erzählte, dass ich für die EU arbeite.“ Auch das berührt sie.