Recklinghausen. .

Ein volles Orchester wie die Neue Philharmonie Westfalen auch optisch zu dominieren, dazu gehört was. Beim 8. Sinfoniekonzert im Ruhrfestspielhaus war der Flügel, an dem Nikolai Tokarev glänzte, so weit in den Vordergrund gerückt, dass im großen Haus der Eindruck von intimer Nähe entstand. Selbst von dem Gastdirigenten Hans Leenders war deshalb im ersten Teil des Konzerts am Sonntag nur der Hinterkopf zu sehen.

Nikolai Tokarev (Jahrgang 1983) und Hans Leenders (1971 in den Niederlanden geboren) erwiesen sich als Glücksgriffe: Sie zeichnen sich durch moderne Spielfreude auf und servieren auch Schweres mit wunderbar leicht wirkender Hand.

Der Klaviervirtuose, den Kritiker an der Schwelle zur großen Weltkarriere sehen, bildete bei Tschaikowskys Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 G-Dur op. 44 im zweiten Satz mit der Solo-Violine dem Solo-Violoncello ein großartiges Trio. Der in Russland geborene junge Künstler, Absolvent der Düsseldorfer Musikhochschule, erntete zum Schluss auch schon einige Bravorufe und viel Applaus. Sein leises, schmeichelndes Solo als Zugabe und Dankeschön entließ das Publikum gut gelaunt in die Pause.

Auch im zweiten Teil leitete und leistete Leenders als Dirigent bei Beethovens als „Pastorale“ bekannten Sinfomie Nr. 6 f-Dur op. 68 nicht nur künstlerisch erstklassige Arbeit, sondern auch Überzeugungsarbeit in eigener Sache: Diesen Meister, erstmals in Recklinghausen live zu erleben, würden Klassikfans bestimmt gerne wiedersehen. Mit viel Schwung führte er die Philharmoniker und verwies beim lang anhaltenden Schlussapplaus immer wieder auf die Musiker, einzeln und als Klasse. Und da sagt man besonders Dirigenten nach, sie seien eitel. Hans Leenders scheint davon frei zu sein.