Recklinghausen.
Die Zahl psychisch kranker Menschen steigt. Das Schweigen hält an. „Psychische Erkrankungen sind nach wie vor ein Tabu-Thema“, sagt Kathrin Böhnk, Mitarbeiterin der Kontakt- und Beratungsstelle der Barke gGmbH.
Sie weiß, dass Betroffene häufig hohe Hemmschwellen überwinden müssen, um über ihre Probleme zu sprechen. Die Beratungsstelle der Barke möchte es Hilfesuchenden möglichst leicht machen: Jeder kann die Angebote ohne persönliche Angaben, Anträge oder Bezahlung nutzen.
Schonraum und Unterstützung
„Wir möchten den Menschen einen Schonraum bieten, in dem sie Schutz finden und Unterstützung erfahren“, sagt Diplompädagogin Kathrin Böhnk. Zum Angebot der Beratungsstelle gehören ein offener Aufenthaltsbereich, Kreativ- und Kochgruppen, gemeinsames Frühstücken und themenorientierte Gesprächsrunden. Neben vereinbarten Gesprächsterminen gibt es neuerdings auch eine offene Sprechstunde. Psychisch kranke Menschen können offen über ihre Lebenssituation sprechen und gemeinsam nach Lösungen und weiteren Hilfen suchen. Vertraulichkeit ist garantiert, denn die Mitarbeiterinnen unterliegen der Schweigepflicht.
Seit Oktober erhält Kathrin Böhnk Unterstützung durch eine neue Kollegin. Marion Kampe ist Sozialpädagogin und war lange Zeit im Bereich „Betreutes Wohnen“ tätig. Zusammen planen sie, das Gruppenangebot zu erweitern.
Rund 200 Menschen nahmen 2011 die Hilfe der Kontaktstelle in Anspruch, darunter viele 40- bis 50-Jährige. „Personen, die zu uns kommen, leiden häufig unter Einsamkeit“, sagt Peter Erdmann, Abteilungsleiter Soziale Hilfen und Beratung des Diakonischen Werks. „Ihnen fehlt ein soziales Umfeld und ein entsprechendes Zugehörigkeitsgefühl.“ Daraus entwickle sich ein breites Spektrum psychischer Erkrankungen. Die Ursache sieht der Abteilungsleiter in einer veränderten Lebensweise: „Die heutige Zeit ist kurzlebig, schnell und flexibel. Darunter leidet der Zusammenhalt im Arbeitsleben, Familien- und Freundeskreis.“ Dazu kommen neue Familienstrukturen und hoher Leistungsdruck.
„Als Antwort ist Depression zur psychischen Erkrankung Nummer eins geworden“, sagt Erdmann. Menschen, die eine psychiatrische Behandlung brauchen, müssen mit Wartezeiten von bis zu acht Monaten rechnen. Therapeutisch arbeiten dürfen die beiden Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle nicht, dennoch kann ihre Hilfe die Zeit überbrücken und wiederholte Klinikaufenthalte vermeiden: „Unsere Besucher finden ein familiäres Umfeld vor, können sich austauschen und erholen. Das entlastet“, sagt Therapeutin Kathrin Böhnk.
Möglicherweise wird nun auch in Süd eine Kontaktstelle aufgebaut: „Dort gibt es viele Probleme, aber nur wenige Anlaufstellen“, sagt Erdmann, „wir möchten den Südern mehr Ortsnähe bieten.“