Recklinghausen. .
Die Zufriedenheit über das erreichte Etappenziel stand vielen Ratsmitgliedern ins Gesicht geschrieben. In großer Mehrheit hatten sie am Mittwoch für die Gründung von Stadtwerken votiert (die WAZ berichtete). „Ich glaube, wir haben ein gutes Verfahren zum Abschluss gebracht“, sprach CDU-Fraktionsvorsitzender Benno Portmann zumindest an dieser Stelle einem Großteil seiner Kolleginnen und Kollegen über die meisten Fraktionsgrenzen hinaus aus dem Herzen.
Sein SPD-Kollege Frank Cerny wies auf die Tragweite des Ratsbeschlusses hin: „Das ist der Einstieg darin, irgendwann zu sagen, ja wir können Stadtwerke.“ Dazu muss sich die Kommune jenes Know how aneignen, für das in den nächsten Jahren der strategische Partner RWE zuständig ist. Und sie muss, sollen am Ende eine echte Rekommunalisierung und vollwertige Stadtwerke stehen, nach der Initialzündung „Netzgesellschaft“ auch den Vertrieb von Strom und die Produktion angehen.
Beides soll, so Bürgermeister Wolfgang Pantförder, ebenso ergebnisoffen diskutiert und unter Umständen mit Hilfe von Beratern vorbereitet werden wie dieser Einstieg. „Step by step“ war am Mittwochabend im Rat eines der geflügelten „Worte“, Schritt für Schritt soll der Stadtwerke-Ausbau erfolgen, Risiken und Chancen sollen wohl abgewogen werden.
Der Ausschlag für den Energieriese RWE in der Rolle des strategischen Partners hat erstaunlicherweise ein Aspekt gegeben, den so niemand erwartet hatte. Überrascht waren viele Ratsmitglieder darüber, dass das Unternehmen in seinem Angebot das Risiko der Stadt stärker minimiert hatte als die Mitbewerber. Letztlich, so heißt es, habe das den Ausschlag gegeben. Und ein Insider vermutet: „Womöglich hat RWE gerade da besonders nachgebessert, weil das Engagement in Coesfeld genau an dieser Frage gescheitert ist.“
Vorgesehen ist, dass die Recklinghäuser Netz-Gesellschaft (RNG) das noch von RWE zu erwerbende Stromnetz bis 2018 an RWE verpachtet, 2019 übernimmt es die neue Gesellschaft. Bei einer marktüblichen Rendite zwischen sechs und acht Prozent und einer Eigenkapitaleinlage der Stadt von 7,85 Millionen Euro könnten bis 2018 jährlich bis zu einer halben Million Euro Pacht fällig werden. Unbenommen davon sind die Einnahmen aus der Stromkonzession. So wie RWE bislang wird die RNG jährlich eine Konzessionsabgabe an die Stadt bezahlen, sie beträgt derzeit 7 Millionen Euro. Die Konzession wird bald ausgeschrieben.
Aber nicht nur Erträge und ein zu erwartender Aufbau von Eigenkapital stehen im Zusammenhang mit der Stadtwerke-Gründung. Kosten gibt es auch. Für das Eigenkapital muss die Stadt ein Darlehen aufnehmen, allerdings für eine bei kommunalen Krediten übersichtlichen Zinssatz von bestenfalls einem Prozent. Ins Geld gegangen sind die Beratungsleistungen. Das Berliner Strategiebüro Nymoen, sein Nachfolger PWC Wibera und das Hammer Rechtsanwaltsbüro Wolter Hoppenberg haben in den vergangenen vier Jahren insgesamt einen „mittelgroßen sechsstelligen Betrag für ihre Leistungen erhalten“, wie es heißt.
Allein für die Ausarbeitung und Begleitung des Vergabeverfahrens waren 200 000 Euro bereit gestellt worden. Und die Beratung soll fortgesetzt werden. Die Stadt benötigt sie für vertragliche Fragen, Verhandlungen über den Netzpreis und mitunter auch über folgende Verfahren.
Bei denen könnten womöglich jene Bieter zum Zuge kommen, die diesmal leer ausgingen. Die Gelsenwasser AG hat trotz ihres Bedauerns über Platz zwei in der Endabrechnung signalisiert: „Wir stehen für eine weitere Zusammenarbeit zur Verfügung.“ Sie könnte ein adäquater Partner beim Vertrieb oder später bei der Stromerzeugung sein. Ähnlichen Hoffnung macht sich die Bietergemeinschaft Hertener Stadtwerke/Stadtwerke Herne. „Trotz des nicht erfolgten Zuschlags war die Arbeit für unsere beiden Häuser nicht umsonst. Gemeinsam mit den Stadtwerken Herne haben wir das Projekt sehr erfolgreich gemeistert und die Personalkapazitäten unserer Unternehmen bestens miteinander verknüpft“, sagt Kerstin Walberg, Stadtwerke-Sprecherin in Herten.
Dorthin führte im übrigen gestern der Weg einer Recklinghäuser Delegation. Es ging um die Fortsetzung der guten nachbarschaftlichen Beziehung, wie es heißt. Und auch mit Gelsenwasser ist ein Treffen vereinbart.