Recklinghausen. .

Der Formfehler ist längst Geschichte. Am Mittwoch, 20. Februar 2013 – 16 Tage nach der ursprünglich angesetzten und dann kurzfristig verschobenen Sitzung, könnte Recklinghausens Rat tatsächlich Geschichte schreiben. Er entscheidet am Nachmittag hinter verschlossenen Türen über die Wiedergründung von Stadtwerken – 85 Jahre nach dem Verkauf der Stadtwerke an die VEW. Dabei zeichnet sich eine breite Mehrheit der Haushalt-tragenden Fraktionen für den Vorschlag ab, den die Berater nach Abschluss des Vergabeverfahrens der Energiekommission vor einigen Wochen unterbreitet haben.

„Ich gehe von einer breiten Mehrheit aus“, sagt CDU-Fraktions-Chef Benno Portmann. Aus seiner Sicht sei das auch eine Bestätigung für das zwar aufwendige und kostspielige Vergabeverfahren — die Rede ist von einer sechsstelligen Summe —, aber der Einstieg in die Rekommunalisierung werde nun von einer breiten Mehrheit getragen. Angesichts der Tragweite der Entscheidung sei dies ein großer Erfolg für den gesamten Rat.

Deutliche Rats-Mehrheit in Sicht

54 Mitglieder hat der Rat in Recklinghausen. Sollten heute Nachmittag im nicht-öffentlichen Teil alle Ratsfrauen und -herren anwesend sein, würden 28 Stimmen zur Annahme des Verwaltungsvorschlags reichen.

Tatsächlich sieht es danach aus, dass mindestens 38 Mitglieder zustimmen, nämlich die der CDU (21) und der SPD (17). Auch die FDP (3)und Teile von Bündnis90/Die Grünen (5) votieren wohl für die Gründung.

Eine Probeabstimmung innerhalb der CDU-Fraktion habe es nicht gegeben. „Aber ich gehe von einer einstimmigen Entscheidung aus, vielleicht gibt es eine Enthaltung“, so Portmann. Alle Fraktionsmitglieder hätten sich gemeinsam mit den Vertretern der Rathaus-Koalition von FDP und Bündnis90/Die Grünen in einer Sondersitzung nochmals über das Vergabeverfahren informieren können.

20 Jahre Kampf

Während der Koalitionspartner FDP voraussichtlich uneingeschränkt die Stadtwerke-Gründung unterstützt, tut sich die Fraktion Bündnis90/Die Grünen mit der Entscheidung schwerer. „Bei uns ist die Frage des strategischen Partners natürlich ein dickes Brett“, räumt Fraktionschef Holger Freitag ein. Pro und Contra teilten sich innerhalb der Fraktion. „Ich stimme dafür, weil damit die Chance entsteht, die Hand auf das Strom- und Gas-Netz zu legen und Entscheidungen in der Zukunft mitzubestimmen. Dafür habe ich gemeinsam mit anderen 20 Jahre lang gekämpft“, so Freitag.

Dass Kritiker sagen, wer für die Stadtwerke mit einem strategischen Partner sei, gehe einen Pakt mit dem Bösen ein, sei überzogen. Zumal garantiert sei, dass die Stadt beim Ausbau in einigen Jahren, wenn es um Vertrieb und/oder Erzeugung von Strom gehe, frei in seiner Partnerwahl sei. Auch der auserkorene strategische Partner für die Netzgesellschaft, dem Vernehmen nach soll es Energie-Riese RWE sein, habe dem zugestimmt und ohnehin signalisiert, an Vertrieb und Erzeugung wenig Interesse zu haben.

Einstimmiges Votum der SPD

Für die zu erwartende satte Mehrheit wird am Ende die SPD als größte Oppositionspartei sorgen. „Ich kann für meine Fraktion sagen, dass wir ein einstimmiges Votum abgeben werden, ohne dass jemand einem Zwang ausgesetzt wäre“, sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Frank Cerny. Berater Martin Brück von Oertzen (Kanzlei Wolter Hoppenberg) und zwei Vertreter der Beraterfirma PWC hätten der Fraktion das Verfahren und dessen Ergebnis nachvollziehbar erklärt. „Danach hat jedes Fraktionsmitglied eine Nacht darüber geschlafen“, so Cerny. In einer weiteren Fraktionssitzung habe es dann ein einstimmiges „Ja“ für die Stadtwerke gegeben.

Deren Gründung, so der Fraktions-Chef, könne sich im übrigen, sollte es dazu kommen, die SPD auf ihre Fahnen schreiben. Sie habe das Thema als erstes auf die Tagesordnung gebracht; andere Parteien und die Verwaltung seien dem Vorschlag dann gefolgt.