Haltern am See. .
Mucksmäuschenstill ist es in der Aula, als Andrea von Treuenfeld aus ihrem Buch „In Deutschland eine Jüdin – eine Jeckete in Israel“ liest. Und es liegt nicht daran, dass „Wer wird Millionär?“-Moderator Günther Jauch das Vorwort zum Buch geschrieben hat. Über 160 Schüler hören gebannt zu, was die Journalistin und Autorin in Interviews mit Jüdinnen, die vor dem Holocaust aus Deutschland flohen, zusammengetragen hat. Die VHS haltern lud sie ein.
Die Autorin (Jahrgang ‘57) reiste Ende der 70er Jahre als Schülerin nach Israel und arbeitete dort in einem Kibbuz. Aus ersten Kontakten entstand über viele Jahre ein Vertrauensverhältnis. Irgendwann erzählten die Frauen, wie es war, als Jugendliche in das gelobte Land einzuwandern. Willkommen waren sie nicht. Sie kamen nicht aus Überzeugung, hatten keine handwerkliche Ausbildung, keine Ahnung von Landwirtschaft, keine Sprachkenntnisse. Mädchen wie Lore Wolff. Ihre Eltern waren Ärzte, sie wuchs wohl behütet in Schlesien auf, lebte sorgenfrei. „Alle liebten mich – bis 1933“, sagt sie in ihren Aufzeichnungen.
Mit Deutschland verwurzelt
Die Frauen wurden Verkäuferinnen und Putzfrauen, die ihre arbeitslosen Eltern ernähren mussten. Statt zur Schule oder zur Uni gingen sie zum Militär. Gleichwohl: „Sie blieben mit Deutschland tief verwurzelt“, so die Autorin. Selbst als die Frauen bei Besuchen in der Bundesrepublik gegenteilige Erfahrungen machten. „Manche wurden freundlich begrüßt, andere nicht mal in das Haus gelassen, das ihnen früher mal gehört hatte.“
Heute sind die Frauen zwischen 78 und 100 Jahren alt. Sie unterhalten sich immer noch Deutsch, schwärmen von Schiller und Goethe. Einige treffen sich regelmäßig, um über die Sendung „Wer wird Millionär?“ zu schwatzen, die im israelischen Fernsehen ausgestrahlt wird. „Sie alle sind Verehrerinnen von Günther Jauch“, lacht von Treuenfeld. Ein Grund, warum Jauch das Vorwort zu dem Buch schrieb.
70 Jahre nach dem Holocaust seien die Schüler überraschend interessiert. Zur ihrer ersten Lesung in einer Schule sei sie mit der Vorstellung gefahren, „dass da 300 Schüler sitzen, die mit ihrem Handy spielen.“ Das war nicht der Fall. Allerdings, schränkt sie ein, werde sie nur von Schulen eingeladen, die sich mit dem Thema Nationalsozialismus auseinandersetzten. So wie die Alexander-Lebenstein-Realschule.
Zum Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz plant die Schule am heutigen Freitag einen Schweigegang durch die Stadt. Stolpersteine, mit denen der deportierten Juden gedacht wird, bestimmen die Route.